Call for Papers

 

BILD UND RAUM

Unsere Gegenwart ist durch die Omnipräsenz und jederzeitige Verfügbarkeit von Bildern geprägt. Dabei dringen die Bilder mehr denn je in unsere Wirklichkeit ein, indem sie Raum einnehmen oder sogar neue Räume bilden. Die avanciertesten technischen Innovationen zielen darauf ab, Techniken der Raumdarstellung zu verbessern und den Raum mit Bildern zu durchdringen (etwa mittels CAD-Entwürfen, 3D-Scannern und 3D-Druckern, Hologrammen, Gaming, Augmented Reality, immersiven Räumen usw.). Die enorme Popularität immersiver Settings verweist auf das große affektive Potential des Raumes. Während das Bild uns zweidimensional entgegentritt, bezieht der Raum uns mit allen Sinnen ein. Die Kunst partizipiert an dieser Entwicklung, indem sie sich nicht mehr ausdifferenziert in Raumkunst oder Bildkunst, sondern bildliche und räumliche Aspekte miteinander verschränkt und so ihrerseits neue, hybride Räume bildet. Auch im Museumsbereich ist das Konzept eines neutralen Raums, eines White Cube, der einzig als Folie der darin präsentierten Bilder fungiert, lange überwunden.

Vor diesem Hintergrund widmet sich der Deutsche Kongress für Kunstgeschichte 2024 dem Verhältnis von Bild und Raum, das sowohl in einer historischen als auch in einer transkulturellen Perspektive untersucht werden soll. Der Kongress möchte die methodischen Erweiterungen des Faches aus der jüngeren Zeit aufnehmen, Impulse aus dem Iconic Turn und dem Spatial Turn zusammenführen und die Möglichkeiten ausloten, die sich dabei eröffnen.

Die Bedeutung der Entwicklung hin zu einer die Wirklichkeit dominierenden Bilderflut für die Disziplin wurde in der kunsthistorischen Theoriebildung zum Iconic Turn ausführlich reflektiert. Der in den Geisteswissenschaften vollzogene Spatial Turn wiederum hat mit dem Verständnis vom „Raum“ als Ergebnis sozialer Interaktion, mit der Untersuchung von Raumwahrnehmung und -konstruktion einen Paradigmenwechsel eingeleitet, welcher auch für die Kunstgeschichte von zentraler Bedeutung ist. Da der Raum unsere Wahrnehmung konditioniert, besitzt die Analyse der Zusammenhänge von Bild und Raum hohe Relevanz. Die in unserem Fach übliche Spezialisierung auf entweder Bildkünste oder Architektur hat allerdings dazu geführt, dass es relativ wenige Studien gibt, die sich tatsächlich darauf einlassen, Wechselwirkungen zwischen Architektur und Bildkünsten systematisch zu erforschen. Der Kongress soll daher eine Plattform für die Verknüpfung von Methoden der Architektur-, Kultur- und Bildwissenschaft bieten.

Das Thema ist nach vielen Richtungen anschlussfähig. Profane und sakrale Bild-Raum-Ensembles aus verschiedenen Epochen und verschiedenen Kulturen können nach den jeweiligen Wirkungsstrategien, Rezeptionsmechanismen und performativen Nutzungen befragt werden. Dabei bietet es sich an, durch die Analyse von Ensembles aus europäischen und außereuropäischen Kontexten auch kulturelle Transferprozesse und Hybridisierungen in den Blick zu nehmen. Der denkmalpflegerische Umgang mit solchen Ensembles, ihre grafische Reproduktion und Dokumentation bilden weitere große Themenfelder. Neben fotografischen Dokumentationen sind dabei auch dreidimensionale CAD-Raumvisualisierungen und 3D-Rekonstruktionen zerstörter Ensembles zu berücksichtigen. Geschlechtsspezifische Raumaus-stattungen können ebenso thematisiert werden wie die kulturelle Kodierung von Bild und Raum. Auch für den Bereich der Präsentation und Vermittlung von Kunst (in Museen, Medien, allen Bereichen der Didaktik) ist die Reflexion der Interaktionen von Bild und Raum von zentraler Bedeutung.

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist ein idealer Standort für die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Das Institut für Kunstgeschichte der FAU hat die Diskussion über das Konzept einer Bild-Raum-Wissenschaft bereits intensiv vorangetrieben und kooperiert eng mit den Museen der Metropolregion Nürnberg, insbesondere mit dem Germanischen Nationalmuseum, dessen Name und Geschichte die Frage nach der Konstruktion von Kulturräumen und Nationenbegriffen aufwirft. Die wechselvolle Geschichte Nürnbergs mit ihren markanten Höhen und Tiefen im Mittelalter, im Zeitalter Dürers und während der NS-Zeit lädt dazu ein, sakrale und profane Bild-Raum-Ensembles aus verschiedenen Epochen nicht zuletzt nach ihren politischen Aussagen und aktuellen Neusemantisierungen zu befragen.

 

Der Vorstand des Deutschen Verbandes für Kunstgeschichte e.V. möchte gemeinsam mit dem Institut für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Kolleginnen und Kollegen für eine intensive Diskussion gewinnen.

Interessierte Kolleginnen und Kollegen aus allen Arbeitsgebieten des Faches sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge für Einzelvorträge in den unten genannten Sektionen einzusenden.

Eine Bewerbung ist ausschließlich über das Online-Bewerbungsportal der Kongress-Website möglich.

Für jeden Vorschlag kann ein Exposé von maximal 2.500 Zeichen (inkl. Leerzeichen) eingereicht werden. Zusätzlich erbitten wir die Eingabe einer tabellarischen Kurzbiografie. Ergänzend können je bis zu fünf Forschungsschwerpunkte und Publikationstitel angegeben werden.

Die Auswahl der Vorschläge für die Sektionen (pro Sektion vier 30-minütige Vorträge) werden die Sektionsleitungen gemeinsam mit dem Verbandsvorstand und dem Ortskomitee vornehmen. Von den ausgewählten Referentinnen und Referenten wird erwartet, dass sie – sofern eine kunsthistorische Ausbildung vorliegt und sie im Inland ansässig sind – spätestens zu Beginn des Kongressjahres Mitglieder des Deutschen Verbandes für Kunstgeschichte sind.

Die Zusammenkünfte und Netzwerktreffen des Rahmenprogramms (Berufsgruppen- und Fachforen, Arbeitskreise, Workshops) sind in diesem Jahr nicht Teil des Call for Papers und werden gesondert koordiniert. Am Vortag des Kongresses wird der Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte erneut ein Online-BarCamp veranstalten.

Rückfragen zur Bewerbung richten Sie bitte an die Geschäftsstelle des Deutschen Verbandes für Kunstgeschichte e.V. in Bonn ().

Einsendeschluss für alle Bewerbungen ist der 2. Juni 2023, 18:00 Uhr.

Sektionen

 

1. Höhlen, Grotten und immersive Räume. Ansätze zu einer transkulturellen Bild-Raum-Wissenschaft

Immersive Settings haben derzeit Hochkonjunktur – von den Lichträumen eines James Turrell bis hin zu kommerzialisierten Ausstellungsevents, die ein „Eintauchen“ in die Kunst Vincent van Goghs oder Frida Kahlos versprechen. Die Ursprünge solcher Bild-Raum-Ensembles reichen letztlich weit zurück. Die suggestive Kraft von Höhleninszenierungen, die bereits Platons Höhlengleichnis zugrunde lag, brachte eine Fülle profaner „Kunst-Höhlen“ hervor, z. B. die künstlichen Grotten der Renaissance und des Barock. Zudem besitzen Höhlen einen festen Platz im christlichen Kult. Teilweise wurden natürliche Höhlen durch Einbauten und Bildwerke als Sakralorte gekennzeichnet bzw. zu Höhlenkirchen und -klöstern ausgebaut, teilweise aber auch künstliche, mit hoher Illusionskraft versehene Nachbildungen der Geburts- und Grabeshöhle Christi sowie „Sacri Monti“ geschaffen. In buddhistischen und hinduistischen Kulten spielen künstlerisch ausgestaltete Höhlen ebenfalls eine wichtige Rolle, u. a. als Nachbildung des göttlichen Kosmos.

Die Faszination durch Höhlen kann als kulturen- und epochenübergreifende anthropologische Konstante gelten. Ziel der Sektion ist es, durch die Zusammenführung von Fallstudien aus verschiedenen Kulturkreisen Denkanstöße für eine transkulturelle Bild-Raum-Wissenschaft zu geben. Das Zusammenspiel von natürlichen und/oder künstlichen Höhlenräumen mit deren bildkünstlerischer Ausstattung soll nach den jeweiligen Wirkungsweisen, Rezeptionsmechanismen und performativen Nutzungen befragt werden. Wie und mit welchen Absichten werden natürliche und artifizielle Gestaltungselemente miteinander verbunden? Mit welchen Mitteln werden die Rezipientinnen und Rezipienten geleitet, instruiert und affiziert? Überwiegen im Vergleich von Höhlenheiligtümern verschiedener Religionen ähnliche oder unterschiedliche Inszenierungsformen?

Vorträge können sich sowohl auf ästhetische Aspekte immersiver Settings als auch auf kultische Funktionsweisen von Höhlen in unterschiedlichen religiösen Kontexten konzentrieren, einzelne Bild-Raum-Ensembles oder mehrere Objekte vergleichend behandeln. Besonders erwünscht sind Beiträge zu Fallbeispielen, an denen sich die Dynamiken interkultureller bzw. interreligiöser Kontakte, kulturelle Transferprozesse und Hybridisierungen aufzeigen lassen.

Christina Strunck, Erlangen-Nürnberg / Ines Konczak-Nagel, Leipzig

 

2. Heilserwartung – Heilswirkung. Die öffentliche Inszenierung der Bilder im Spätmittelalter

Die Sektion nimmt die öffentliche Inszenierung solcher Bilder und Objekte in den Blick, denen im Spätmittelalter Heilswirkung zugesprochen wurde. Den Genius loci der Tagung aufnehmend, geht es dabei vornehmlich um den Raum Nürnberg, wobei Fallstudien aus anderen Regionen ebenfalls willkommen sind. Die Reichsstadt Nürnberg war eine Spinne im Netz des Kulturtransfers mit Kontakten nach ganz Europa. Hier lassen sich besser als andernorts grundlegende Studien durchführen, die auf einer großen Zahl relevanter Objekte (z. B. Reichskleinodien, Sebaldusgrab, Konstantin-Helena-Ikone) aufbauen können, die sich zudem durch die zeitgenössischen Quellen kontextualisieren lassen. Auch die räumliche Verortung der Phänomene ist durch die hervorragend dokumentierte Topografie Nürnbergs möglich.

Mittelalterliche Bildwerke waren mehr als ästhetische Artefakte, sie verlangten eine unmittelbar erfahrbare Inszenierung im öffentlichen Raum. Reliquien waren kaum denkbar ohne ein Publikum, das sie verehrte und bereit war, für seine Heilserwartung Abgaben zu leisten. In den performativen Akten der Weisungen vollzog sich die publikumswirksame Verehrung. Dasselbe gilt für wundertätige Skulpturen und sonstige Verehrungsobjekte, die man in Prozessionen durch die Städte trug. Es entwickelte sich eine nachhaltige Erinnerungskultur: Pilgerabzeichen zeugen ebenso davon wie die Versuche, mit Spiegeln die Heilswirkung von Reliquien einzufangen. Gleichzeitig wurden die Schauen zur Selbstdarstellung genutzt, häufig in Konkurrenz zu benachbarten Orten wie z. B. Bamberg oder Eichstätt, aber auch Altötting oder Mariazell.

Die Forschung zu diesem Themenkomplex ist in der jüngeren Vergangenheit stetig intensiviert worden, so dass es nun an der Zeit ist, die Ergebnisse zu reflektieren und Neuansätze auszuloten. Die Sektion möchte dazu anregen, die ästhetische wie magische Wirkung ebenso zu hinterfragen wie die gesellschaftlichen Kontexte. Was verbanden die Besitzerinnen und Besitzer, die Besucherinnen und Besucher mit den Präsentationen? Welche Dynamik entwickelte sich durch die statische oder mobile Inszenierung? Welche ephemeren oder ständigen Auswirkungen hatten die Präsentationen auf den umgebenden Stadtraum? Gab es eine spezifische Ikonografie der Heilswirkung? Dies und mehr soll anhand ausgewählter Fallstudien, aber auch grundlegend theoretischer Beiträge untersucht werden.

Manuel Teget-Welz, Erlangen-Nürnberg / Gerhard Weilandt, Greifswald

 

3. Stadtpläne und Veduten als Objekte und Mittel der kunsthistorischen Forschung

Historische Stadtpläne und Veduten sind im besten Sinne Bilder von konkreten (Stadt-)Räumen. Längst sind sie ein bewährtes Medium der Urbanistik und Architekturgeschichte, um vergangene Zustände von Städten oder einzelnen Monumenten zu rekonstruieren, bzw. um den Körper der Stadt zu interpretieren. Daneben beschäftigt sich die Kartografiegeschichte mit den historischen Vermessungsmethoden, den Projektionsformen und dem Medium selbst. Zunehmend werden historische Karten digitalisiert und nicht zuletzt von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern genutzt, um räumliche Relationen in einer Stadt besser erforschen zu können, um Metadaten mit den Karten zu verlinken oder um Städte virtuell durchstreifen zu können.

Ziel der Sektion ist es, den Umgang der Kunstgeschichte mit Stadtplänen (seien es Karten, Vogelansichten oder auch Veduten) genauer in den Blick zu nehmen und das methodische Potenzial zu erweitern. Anders gesagt soll es darum gehen, wie die Karten stärker auch als Objekte/Bilder eigenen Rechts betrachtet werden können und sollen, durch die man nicht nur auf eine historisch Realität zu blicken meint, sondern die selbst in ihrer Medialität, der Auswahl von Monumenten, Straßen etc. und der konkreten Darstellungsweise eine eigene Aussage machen.

Gebeten wird daher um Vorschläge zu Vorträgen, die sich mit folgenden Aspekten beschäftigen:

  • methodische Auseinandersetzung mit dem Medium Karte oder Vedute (aus Sicht der Kunstgeschichte)
  • Fallbeispiele historischer Karten oder Veduten, die auf ihre Ästhetik und Aussagekraft untersucht werden
  • Vorstellung digitaler Projekte zur Aufarbeitung historischer Karten, verbunden mit der Reflexion über das heuristische Potential des digitalen Bildes
  • Intermediale Aspekte von gemalten Kartenzyklen und gedruckten Karten

Amrei Buchholz, Berlin / Tanja Michalsky, Rom

 

4. Space – Museum – Gender. Materielle und immaterielle Manifestationen von (Kunst-)Sammlerinnen (1750–2024)

Viele Frauen taten sich zu Lebzeiten als Sammlerinnen und Kunstmäzeninnen hervor. Frühe Beispiele wie Isabella D’Este und Leonora von Neapel prägten das Sammelwesen wie das Kunstschaffen ihrer Zeit, förderten die Künste wie die Wissenschaften und waren für ihre humanistische Bildung gerühmt. Seither lassen sich in allen europäischen Ländern über die Jahrhunderte hinweg bedeutende Sammlerinnen nachweisen. Viele ihrer Sammlungen, etwa von Helene Kröller-Müller, tragen bis heute wesentlich zur Kulturlandschaft bei, doch ist das Wissen um die Bedeutung der Sammlerinnen oftmals kaum präsent.

Die Sektion möchte erstmals die Bedeutung von Sammlerinnen in europäischen Museen aus einer diachronen Perspektive kartieren. Dabei werden zum einen materielle Manifestationen von (Kunst-)Sammlerinnen im Museumsraum ins Blickfeld genommen:

  • Welche Rolle nahmen – und nehmen – Sammlerinnen in den Räumen (auch im Verhältnis zu männlichen Sammlern) und wie sind sie dort repräsentiert (Widmungen, Porträts, Büsten usw.)?
  • Wann wurden die Sammlungen an die Museen übergeben? Welche Auflagen wurden für die Ausstellung der Sammlungen gemacht? Wie wurden die von ihnen gestifteten Werke kommentiert?
  • Lassen sich Muster in Bezug auf das Sammelverhalten, den Umfang des Sammelns, die Sammlungsgegenstände oder -wege erkennen?

Zum anderen werden auch immaterielle Räume, soziale Räume, Netzwerke und Kontexte, die Frauen zum Sammeln nutzten, übergreifend untersucht:

  • Was waren die gesellschaftlichen, rechtlichen und sozialen Voraussetzungen für Frauen als Sammlerinnen?
  • Welche Ausschlussmechanismen hielten Frauen vom Sammeln ab?
  • Wie generiert sich die Sammeltätigkeit in der Paarkonstellation, wie alleine?

Ziel der Sektion ist es somit, die Sammlungspraxis von Frauen zu beschreiben und ihre Funktion für die Museen sichtbar zu machen.

Marina Beck, Erlangen-Nürnberg / Anna Frasca-Rath, Erlangen-Nürnberg

 

5. Pariser Stadt-Bild-Raum-Geschichten

Die Neugestaltung des Pariser Stadtbildes vollzog sich nach der Französischen Revolution einerseits in einem ständigen Alternieren von Revolutionen und Restaurationen, andererseits im Zeichen eines konstanten Um- und Ausbaus des urbanen und infrastrukturellen Raums. Aus der Genese des öffentlichen Raumes resultierte die Notwendigkeit, diesen den jeweiligen politischen Legitimationsabsichten entsprechend mit neuen Zeichen, Monumenten und repräsentativen Raumensembles zu markieren. Hierfür beseitigte der Revolutionsvandalismus zuerst die Zeichen des Ancien Régime. Die Französische Revolution nahm dann auf dieser tabula rasa eine flächendeckende „Neuordnung der Dinge“ vor. Diese Initiativen der Neumodellierung des öffentlichen Raums sowie der Neugründung von Institutionen zur Pflege des nationalen Kulturerbes (Museen) stellten eine veritable Kulturrevolution dar.

In deren Folge ist die spätere Entstehung von Orten der Wissensspeicherung und -vermittlung (Bibliotheken, Industrieschauen, Weltausstellungen), die Anlage neuartiger Freizeit- und Konsumräume (Parks, Tivolis, Passagen) und die zeitspezifische Infrastruktur-Architektur (Bahnhöfe, Metro) zu sehen, die – der Idee der freien Zugänglichkeit, Interaktion und Zirkulation gehorchend – für jene Raumrevolution stehen, die die Sektion explizit machen will. Der Zeitrahmen wird bis Le Corbusiers „Plan Voisin“ von 1925 gesteckt, dessen radikale urbanistische Abkehr vom 19. Jahrhundert den Gestus der Revolutionen seit 1789 fortsetzte.

Im Anschluss an jüngere Ansätze, die über die statischen Begriffe von Stadtbild und Repräsentation hinauszugehen versuchen, will die Sektion dazu einladen, Bild und Raum in ein kritisches Verhältnis zu setzen, um deren politisches und urbanes Potential im Sinne einer Renaissance der kunsthistorischen Stadt(bau-)forschung neu zu bestimmen und das Verhältnis von (statischem) Bild und (dynamischem) Raum, von Betrachtung und Benutzung, von Konstanz und Wandel des Urbanen neu zur Diskussion zu stellen. Vorschläge für Beiträge, die andere Metropolen in einer komparatistischen Perspektive behandeln, sind ebenfalls willkommen.

Salvatore Pisani, Mainz / Christine Tauber, München

 

6. Räume des NS in der Demokratie: Leerstelle, Aneignung, Umnutzung oder Lernort?

Wie umgehen mit dissonantem Erbe, zerfallenden Bauten und verstörenden Orten aus der Zeit des Nationalsozialismus? Die Sektion will weniger die Geschichte der Verdrängung sowie der teils versuchten, teils andauernden Umnutzung und Aneignung dieser Strukturen rekapitulieren. Vielmehr geht es darum, den Status quo der kunsthistorischen und architekturgeschichtlichen Adressierung dieser Herausforderungen zu bilanzieren. Damit gerät in besonderer Dringlichkeit das Verhältnis von fachlicher Expertise, politischen Positionen und Vorstellungen der Zivilgesellschaft in den Blick.

Welche Raumbilder und Raumdiskurse werden in der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart aufgerufen? Was kann sozial- und kulturwissenschaftliche Theoriebildung beitragen? Welche Möglichkeiten bieten – und welche Risiken bergen – mediale Bildwelten und digitale Modellierungen? Vor allem aber: Welche Form der inhaltlichen Auseinandersetzung ist für die räumlich komplexen Orte massenwirksamer Propaganda adäquat?

Ein Fokus der Sektion liegt auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Ungeachtet zahlreicher Sprengungen, Transformationen und Interventionen handelt es sich immer noch um den einzigen in seinen Großstrukturen erhaltenen, „authentischen“ Ort der Selbstdarstellung von Partei und Staat. Die kulturpolitischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger stehen dort einer vielschichtigen Interessenslage und komplexen konservatorischen Problemen gegenüber. Daher bedarf es einer offenen selbstkritischen Sondierung: Welche Verfahrensweisen sind für eine zunehmend plurale und diverse Gesellschaft überhaupt angemessen? Diese Fragen sollen über dieses Fallbeispiel hinausreichend an weiteren monumentalen Raumstrukturen des Nationalsozialismus erhellt werden, um die grundsätzliche, dabei auch dezidiert denkmaltheoretische und denkmalpraktische Dimension umfassend in den Blick zu nehmen.

Christian Fuhrmeister, München / Kai Kappel, Berlin

 

7. Textile Inszenierungen und Raumdramaturgien

Das Textile strukturiert einen Raum, überführt von einer zweidimensionalen Fläche in einen dreidimensionalen Körper, kann einen Raum füllen, ordnen, gestalten und (haptische) Sinnhaftigkeit stiften. Auch Kleidung ist ein Zusammenspiel von visuellen Darstellungen und gibt Orientierung in sozialen Interaktionen. Die Geschichte von Textil und Kleidung ist bereits aus multidisziplinärer Sicht analysiert worden, doch ist die Verortung der konzeptionellen Gestaltung eines Raumes durch sie ein bislang nur marginal beachtetes Phänomen geblieben.

Die Semantik des textilen und vestimentären Raumes soll im Zentrum dieser Sektion stehen, welche die raumdramaturgische Wirkung von Textil und Kleidung als zwei- und dreidimensionale Objekte und ihre Interaktion ausloten will. Der zeitliche Bogen soll von historischen Ausformungen zu zeitgenössischen Tendenzen gespannt werden. So sind Themen vorstellbar, welche die Interaktion zwischen Raum und Textil in der Kunst beschreiben: von den bildfüllenden textilen Volumina in der Malerei, z. B. bei Rubens, über raumbeanspruchende modische Erscheinungen, wie die Krinolinen des 19. Jahrhunderts, bis zu Konzepten, wie etwa den textilen Entwürfen Sonia Delaunays oder den textilen Verhüllungen von Raum und Architektur durch Christo und Jeanne-Claude. Aktuell entstehen auch textile Erlebniswelten und neuartige Dramaturgien in virtuellen Räumen. Ebenso nennenswert sind die jüngsten Ausstellungen zur Textilkunst, welche den Raum und die Bewegung der Besucherin und des Besuchers darin als dynamisches Mittel einbeziehen, wie es Arbeiten von z. B. Chiharu Shiota, Louise Bourgeois oder Erika Hock und Kyungah Ham zeigen.

Vor diesem Hintergrund soll die Sektion dazu beitragen, den Blick erneut und übergreifend auf die Textilkunst, textile Gestaltung und Kleidung in ihrer Interaktion mit Raum und Räumlichkeit zu betrachten.

Sabine de Günther, Potsdam / Katrin Lindemann, Berlin

 

8. Wall labels. Beschriftungen in Ausstellungen zwischen Bild, Text und Raum

Der Beschriftung kommt in heutigen Präsentationen von Kunst eine enorme Bedeutung zu. Gehörten traditionell werkinterne Schriftzeichen, die sich zu Monogrammen, Signaturen, Datierungen oder Titel fügten, und später werkexterne Objektschilder, wall labels im eigentlichen Sinn, zu den Elementen der Identifizierung und Erläuterung von Kunst, sind es heute Saalüberschriften und ganze Wandtexte, die zusätzlich die Architekturen von Ausstellungen strukturieren und mitbestimmen. Die Sektion möchte sich diesen Konstellationen von Bild und Text im Raum widmen, indem sie Theorien von Schrift am Werk und kuratorische Praktiken gemeinsam in den Blick nimmt. Debatten um Arnold Gehlens „Kommentarbedürftigkeit“, Gérard Genettes „Paratext“ und Jacques Derridas „Parergon“, welche die Kunstwissenschaft seit den 1990er Jahren immer wieder führt, spielen hierbei genauso eine Rolle wie die Umsetzung der Vermittlung von Kunst in zeitgenössischen Ausstellungsräumen. Von ausführlichen Informationen über politische oder gesellschaftliche Kontexte, die für das Verständnis von Kunstwerken in jüngerer Zeit an Gewicht gewinnen, bis zur absichtsvollen Vermeidung jeglicher Schriftzusätze, die in vermeintlicher Kongruenz zur reinen Anschauung im White Cube steht, reicht das Spektrum der unterschiedlichen Möglichkeiten.

Die Sektion möchte ausgesuchte Modelle, Theorien oder Praktiken als Fallbeispiele zur Diskussion stellen. Besonderes Augenmerk gilt dabei Fragen, denen sich das Ausstellungsdesign mit Blick auf das experimentelle Zusammenspiel von Bild, Text und Raum vor dem Hintergrund der Digitalisierung, ökologischer Nachhaltigkeitsstrategien oder differenzsensibler Adressierung stellt. Willkommen sind Beiträge, die von der Warte der interdisziplinär informierten Forschung über Bild-Text-Relationen, der Innenarchitektur, der Kunstvermittlung, den kuratorischen Wissenschaften oder der Museologie auf diese Thematik blicken.

Nina Schallenberg, Berlin / Tobias Vogt, Oldenburg

 

9. Bild und Verführung: Denkmalpflegerischer Umgang mit digital erzeugten Räumen und ihren Bildern von Geschichte

Die Sektion lädt ein zur architektur-, kultur- und bildwissenschaftlichen Reflexion der Möglichkeiten und Fallstricke digital erzeugter, virtueller und hybrider Realitäten und ihrer Bilder von Geschichte für die Disziplinen Denkmalschutz und Denkmalpflege. Welche technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten gibt es und welche Potenziale, aber auch Gefahren liegen in der Durchdringung von physischem Raum und virtuellen historischen Bildern, gerade wenn man das Denkmal als Geschichtskonglomerat und immer wieder neu zu befragende Quelle auffasst?

Mit neuen digitalen Möglichkeiten der Erzeugung von virtuellen Realitäten, der Visualisierung und Rekonstruktion historischer Architektur und Bauzuständen in Heritage/Historic Building Information Models oder der hybriden Durchdringung von physischem Raum und historischen Bildern mittels Augmented Reality ergeben sich andere Fragestellungen, als sie bisher angesichts physischer Rekonstruktionen diskutiert werden. Die gewachsene materielle Substanz wird im virtuellen Raum (scheinbar) nicht angefasst. Verschiedene, sich auch gegenseitig ausschließende Schichten der Geschichte, historische Prozesse und Brüche können virtuell übereinandergelegt, ein- und ausgeschaltet werden. Solche Darstellungsweisen sind in Museen oder im Rahmen von historischen Stadtführungen und Stadterkundungen oft Mittel der Vermittlung und Popularisierung historischen Wissens. Hier können sie maßgeblich zu Stärkung eines Denkmalverständnisses beitragen. Sie sind auch Mittel der bauarchäologischen, bauhistorischen und denkmalpflegerischen Auseinandersetzung.

Diese Methoden greifen aber oft gut bekannte historische Bildquellen auf, wählen aus und ordnen die Bilder der Geschichte neu – und legen dabei ihre Motive und Vorgehensweisen nicht immer reflexiv offen. Sie erweitern die Bilder auch mit für die Betrachtenden nicht immer klar erkennbaren Interpretationen, sie füllen Lücken der Überlieferung, damit das augmentierte Bild in einem bestimmten Sinne passt und stimmig ist. Kennzeichnend ist oft die Konzentration auf die Darstellung einer homogenen, jedenfalls abgeschlossenen zeitlichen Epoche. Wie steht es um die Gefahr der Reduktion auf bildhafte Projektionen eines vorgegebenen historischen Verständnisses einer Situation – und wie gelingt es, für die denkmaltheoretische wie denkmalpraktische Diskussion einen kritischen Blick auf affektive und affirmative Geschichtsbilder und deren ubiquitäre Verbreitung zu bewahren?

Martin Bredenbeck, Brauweiler/Koblenz / Andreas Putz, München

 

10. Bilder und Architekturen als transkulturelle Aushandlungsräume

In den bildtheoretischen Debatten hat sich jüngst verstärkt ein raumbezogenes Bildverständnis etabliert und die rezeptionsästhetischen Ansätze produktiv erweitern können: Der emersive Charakter von Bildern wurde herausgestellt und Bildbetrachtung als sich in einem ästhetischen Dazwischen realisierende Erfahrung von konstitutiv räumlichem Charakter beschrieben. Das Paradigma des Raumes erlebt aktuell jedoch nicht nur in der Bildtheorie eine bemerkenswerte Konjunktur, sondern es erweist sich auch als eine entscheidende Denkfigur in der transkulturellen bzw. post-/dekolonialen Kulturtheorie: Räume werden hier als relational strukturierte Gefüge angesehen, die nicht statisch sind, sondern durch Bewegungen und Transformationen generiert werden. Sie gehen also aus Handlungen, aus der agency von Akteurinnen/Akteuren und Objekten, hervor und sind durch und durch performativ verfasst.

Die Sektion verfolgt die Idee, diese beiden bisher getrennt geführten Diskurse in kunstgeschichtlichen Analysen produktiv aufeinander zu beziehen; methodische Reflexionen sollen hierbei mit konkreten Fallstudien verknüpft werden: Wie kann in (Bild-)Räumen kulturelle Differenz performativ zur Aufführung gelangen und wie können dadurch – sogar in hegemonialen Kontexten – Alteritätsmarkierungen verschoben und neu verhandelt werden?

Konkret wird also auf die Frage abgezielt, wie gerade die räumlichen Dimensionen von Bildern und Architekturen als Strukturen transkultureller Aushandlungen genutzt werden: Wie wird beispielsweise die Topologie einer Bildfläche mit ihrer Ordnung eines räumlichen Nebeneinanders als transkultureller Aushandlungsraum dienstbar gemacht, indem Differenzen und Verbindungen inszeniert werden und so die Ambiguitäten kultureller Identitäten zur Darstellung gelangen? Wie werden Bilder, die als multimediale raumgreifende Arrangements angelegt sind, für transkulturelle Aushandlungen genutzt, etwa indem sie als Bühne performativer Akte fungieren, einen Rahmen für liturgische oder rituelle Praktiken bilden und so unterschiedliche kulturelle Einschreibungen erlauben, die simultan oder alternierend zu Geltung gebracht werden können?

Julia Kloss-Weber, Hamburg / Valérie Kobi, Neuchâtel

 

11. Bildräumlichkeit/Raumbildlichkeit – Paradigmatische Wechselbeziehungen und Übergänge ausgehend von VR

Die Sektion widmet sich einer Überwindung der Trennung zwischen Bild und Raum, die insbesondere im Aktionsbereich des Virtuellen vorherrscht und durch die Virtualisierung des Auge-Hand-Feldes entsteht. Den abstrakten Arbeitsraum von VR-Kunstwerken schützt kein Dach, und der Blick fällt zuerst auf einen monochrom-untiefen Grund. So verspricht dieser Raum eine creatio ex nihilo, doch funktioniert er nicht ohne Selbstbeschränkungen: Es werden Grenzen eingezogen, Interaktivität wird reguliert und eine künstliche Physik implementiert, so dass selbst in phantasmatischen Bildwelten letztlich bekannte Alltagspraxen in die Bilder hinein und wieder aus ihnen herausführen. In welcher Weise bringen derzeit Künstlerinnen und Künstler virtuelle Räume mit physischen in Verhandlung, und welche Rolle spielt dabei das Visuelle? Paradigmatisch soll dies anhand von Virtual Reality diskutieren werden, da hier qua Technik Bild und Raum verschränkt sind.

Als Ausgangspunkt dienen bildräumliche Paradoxien in künstlerischen VR-Experiences, wie etwa Bilder ohne Rückseite und entrahmte Szenarien. Wie werden sie selbstreflexiv ausgespielt? Welche Bildräume entstehen, wenn sowohl modellierbare Polygonnetze als auch LiDAR-Scan-basierte Punktwolken mit Bildern bekleidet werden? Wie vermögen widerstreitende virtuelle Kollisionsboxen und wirkliche Wandflächen die Innen-/Außen-Differenz produktiv zu verunsichern? Prägnant tritt das Problem z. B. hervor, wenn Künstlerinnen und Künstler ihre verräumlichten VR-Werke über Head-Mounted-Displays in ihrerseits räumlichen Ausstellungsarchitekturen einrichten: Hier kommt es zu aufschlussreichen Kurzschlüssen zwischen Raumkonstruktion und Bildkuration sowie zu hybriden Rezeptionshaltungen gegenüber Bild und Raum – etwa durch den Blick von oben, wie auf Modell oder Karte, den navigierbaren POV und die Immersion in das Bild. Diesen Fragen lohnt es unter kunst-, bild-, raum-, entwurfs- und architekturtheoretischen Perspektiven nachzugehen. Ebenso erhellend sind Beiträge zu prä-digitalen Bildräumen, Spieleumgebungen und digitaler Rekonstruktion.

Stephan Günzel, Berlin / Annette Urban, Bochum

 

12. Sektion des Gastlandes Tschechien:
Barocke Deckenmalereien als virtuelle Welt der frühen Neuzeit

Wir freuen uns, dass der tschechische Fachverband für Kunstgeschichte Uměleckohistorická společnost (UHS) unserer Einladung gefolgt ist, eine Gastsektion auszurichten. Mit der Konzeption, Auswahl und Durchführung der Sektion wurde Martin Mádl (Vorstandmitglied der UHS) betraut. Die Gastsektion ist daher nicht Teil dieses Calls.