Berichte der Berufsgruppen-Foren 2019

Freitag, 29. März 2019
09:00–12:30 Uhr

Forum Museen
Leitung: Marcus Dekiert, Köln

Erstmals wurde auf dem diesjährigen Kunsthistorikertag eine eigene Sektion für die Berufsgruppe Museen durchgeführt. Der starke Besuch der Vorträge, die rege Teilnahme an den Diskussionen und zahlreiche positive Rückmeldungen verdeutlichen die Sinnhaftigkeit des Unternehmens. Es wurde bei der Zusammenstellung der Vorträge auf breite thematische Streuung Wert gelegt, welche die Weite des Berufsfelds zur Anschauung zu bringen vermochte. Zudem zog die Sektion ihre Attraktivität aus der Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Generationen, was eine differenzierte Diskussion aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln ermöglichte.

Eigentlicher Beweggrund der Einrichtung der Sektion war es zum einen, den an den Museen tätigen Kolleginnen und Kollegen ein Forum zu geben und diese im Gesamtverband stärker einzubinden. Zum zweiten aber lag die Beobachtung zugrunde, dass die Institution Museum zuletzt zunehmend hinterfragt und im Hinblick auf ihre Aufgabenstellungen als vor neuen Herausforderungen stehend so nicht generell als reformbedürftig beschrieben wurde. Zu den Fragen der Notwendigkeit einer Neuaufstellung der Institution, zu ihrer Zukunftsfähigkeit aber scheint eine Positionierung der Berufsgruppe im Verband Deutscher Kunsthistoriker unerlässlich, nicht zuletzt um Veränderungsprozesse mitgestalten zu können. Dies kann der Verband aus alleinstellendem Blickwinkel aus der Sicht der Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker tun, die an den Museen in unterschiedlichen Funktionen tätig sind.
Bereits der erste Vortrag des langjährigen Kustos am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, Rüdiger Joppien, stellte mit den Museen angewandter Kunst Institutionen in den Fokus, die in unseren Tagen mit einer Krise der Akzeptanz konfrontiert sind. Viele der dort verwahrten Objekte alter Kunst sind der heutigen Besucherin bzw. dem heutigen Besucher nicht mehr verständlich. In der Folge wird manches, was einst zum Kanon der Präsentation zählte, deponiert. Die Abwesenheit des Kunstgewerbes in den Lehrplänen der Hochschulen trägt zur Marginalisierung und zum Verlust des überkommenen Wissens bei. Der Referent hielt ein eindrucksvolles Plädoyer für die erneute Fokussierung auf die Objekte der angewandten Kunst, für deren Erforschung und Befragung, die zu einer Wiederbelebung des Interesses im Fach aber auch seitens der Öffentlichkeit führen könnte.
Der zweite Vortrag nahm einen auf kunsthistorischen Fachkongressen kaum je verhandelten Museumstyp in den Blick: das Heimatmuseum. Yvonne Arras, Leiterin der städtischen Museen Balingen, berichtete vom Spannungsfeld aus „Heimatlust“ und „Vermittlungsfrust“, ausgehend vom Befund, dass „Heimat“ derzeit allenthalben Hochkonjunktur habe, die Orte authentischer Darstellung von Heimat davon aber nicht profitieren. Frau Arras entwickelte kluge Ideen des möglichen Umbaus des Heimatmuseums, etwa in dem die oftmals vorherrschende Überfülle geordnet und zu Gunsten einer thematisch gestrafften Darstellung reduziert würde. Dabei wurde auch ein regelmäßiger Wechsel in der musealen Präsentation bedacht, um die Attraktivität des Heimatmuseums zu erhöhen. Dies blieb in der lebhaften Diskussion – vor allem mit Blick auf die knappen Ressourcen – nicht unwidersprochen, doch wurde hinreichend deutlich, welch‘ gute Museumsarbeit in eng limitiertem Spielraum an den Heimatmuseen geleistet wird.
Ebenso kontrovers wurde der thesenreiche Beitrag von Anja Gubelmann (Bibliothek SIK-ISEA, Zürich) diskutiert, die sich der neuen Aufgabe der Ausstellung von Ergebnissen der Provenienzforschung an den Museen widmete. Besonders die Beweggründe dieser Ausstellungen wurden von Frau Gubelmann kritisch hinterfragt. Dabei wurde deutlich, dass der unbelastete Blick einer Schweizer Kollegin durchaus andere Perspektiven und nachfolgend Bewertungen zulässt als dies in Deutschland der Fall ist: Betreiben Museen primär Aufklärung, geben sie Nachweise erbrachter Leistungen oder betreiben sie „Selbstzerfleischung zum Selbstzweck“? In der vielstimmigen Diskussion wurden viele Aspekte des Themas deutlich, so nicht zuletzt die Tatsache, dass Museen sich regelmäßig auf der Anklagebank wiederfänden und sich Vorwürfen der Untätigkeit ausgesetzt sähen.
Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die erstmalige Ausrichtung der Sektion der Berufsgruppe Museen großes Interesse gefunden und eine Vielzahl der Museumsrealität abgelauschter Themen vorgenommen hat. Eine künftige Fortsetzung wurde allgemein gewünscht.

Marcus Dekiert

Berichte der Gerda-Henkel-Reisestipendiatinnen Isabel Neuendorf und Sina Knopf zum Forum Berufsgruppe Museum finden Sie hier und hier (Wissenschaftsportal L.I.S.A.).

Forum Denkmalpflege
Leitung: Martin Bredenbeck, Köln / Christina Mayer, Luxemburg

Das Forum zum Berufsfeld Denkmalpflege bestand aus zwei Teilen: Im ersten Teil ging es um „Dinge“ – Forschungs­gegen­stände, Forschungsfelder, Themen –, die für das Fach Kunstgeschichte noch relativ neu sind und in den letzten Jahren intensiv erschlossen werden: Aspekte der Baukultur (Architektur und Denkmalpflege) aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Jan Richarz (Aachen) untersuchte den Umgang mit historischen Fassaden und Fassadenteilen in Aachen. Nach den Beschädigungen und Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg war eine stattliche Zahl von Bauelementen durch die Stadt geborgen und für eine Wiederverwendung eingelagert worden. Dieses Vorgehen war grundsätzlich bekannt, Umfang der Wiederverwendungen und baulichen Neuschöpfungen in den 1960er und 1970er Jahren jedoch erwies sich als überraschend groß, die Art der Wiederverwendung wirft interessante, teils vertraute Fragestellungen auf: Was ist das Original, in welchem Verhältnis stehen die Spolien zu ihrer Neuverwendung, was ist das Bild, was die Substanz der Denkmäler und der Stadt? Es ergab sich zudem die Pointe, dass das denkmalpflegerische Handeln der Zeit um 1970/1980 nun seinerseits alt genug geworden ist, um historisch zu sein und als Quelle behandelt zu werden. Das Denkmal sind aus heutiger Sicht also die Spolien historischer Bauten in Verbindung mit den Bauteilen der Nachkriegszeit, und die Denkmaleinträge sollten entsprechend weitergeführt werden.
Sarah Schlachetzki (Bern) widmete sich der Systembauweise, mit Schwerpunkt auf Siedlungsbau. Da sie einer interdisziplinären Forschungsgruppe zum Systembau angehört, konnte sie neben neuen Erkenntnissen zur Bauweise an sich auch über die sich langsam entwickelnde Akzeptanz dieses wichtigen Kapitels der Nachkriegsarchitektur berichten. Während vielen Jahren galt diese Bauweise und die von ihr hervorgebrachten Gebäude als kunsthistorisch nicht relevant – eine Einstellung, die sich mit zunehmenden zeitlichen Abstand und der fortschreitenden Beschäftigung hiermit erfreulicherweise gewandelt hat: Die vielfach gescholtene „Platte“ hat heute nicht nur aufgrund ihrer Ästhetik und geschichtlichen Bedeutung immer mehr Verfechter. Allerdings stellen die materialbedingten Restaurierungskonzepte noch immer Herausforderungen für Architekten, Kunsthistoriker und Baufachleute dar, die nur gemeinsam gelöst werden können.
Im zweiten Teil ging es um zwei Fallbeispiele, bei denen vermeintlich ausgeforschte Dinge bzw. Dinge, die wegen ihrer jüngeren Entstehungszeit und dadurch kurzen Bau- und Umbaugeschichte manchmal als wenig ergiebig hinsichtlich Forschungsergebnissen eingeschätzt werden, durch intensive Bauforschung eben doch hochinteressante neue Forschungen ermöglichten. Die Bedeutung der Bau- und Quellenforschung für denkmalpflegerische Argumentation und denkmalpflegerisches Handeln sollte damit unterstrichen werden.
Thomas Lutgen (Trier) thematisierte die Ausmalungsbefunde in der Trierer Liebfrauenkirche. Hier galt zu Beginn einer ausgedehnten Restaurierungskampage die Quellenlage als „abgegrast“, „ausgeforscht“ und Erkenntnisse zu früheren Farbfassungen als schlicht nicht vorhanden. Anhand von Vergleichen mit ähnlichen Bauwerken, vor allem aber durch ein erweitertes Quellenstudium bis hin zu Reiseberichten des damaligen Konservators Ferdinand von Quast konnte der Restaurator Thomas Lutgen jedoch belegen, das noch im 19. Jahrhundert deutliche Spuren der mittelalterlichen Raumfassung vorhanden gewesen waren. Die historischen Zeichnungen von Quasts ergaben im Zusammenspiel mit kleinsten farbigen Befunden ein vollständiges Bild, das in einer Musterachse in der südwestlichen Doppelkapelle heute nachvollziehbar dargestellt ist. Diese Rekonstruktion war nur möglich dank der beharrlichen Untersuchungen sowohl des Objektes selbst als auch der Archivquellen.
Constanze Falke (Bonn) berichtete von der Bonner Beethovenhalle. Sie begleitet im Auftrag der Stadt als Vertreterin des Urheberrechts die denkmalgerechte Instandsetzung der 1959 eingeweihten Fest- und Konzerthalle, nachdem deren Abriss abgewendet werden konnte. In den 60 Jahren des Bestehens der Halle hat sich – z. B. auf den Oberflächen – eine Fülle von Schichten abgelagert. Je nach Zeit sind durch veränderten Geschmack, verfügbares Material und pragmatische Überlegungen zahlreiche Eingriffe erfolgt, die nun durch Bauforschung nachvollzogen und dann bewertet werden. Sie werfen ein Licht auf die Verwandlungen des Gebäudes seit seiner Einweihung, v. a. aber auch auf die Intentionen, die die ursprüngliche Gestaltung geleitet haben. Hier konnte Falke z. B. nachweisen, dass Farbvorbilder Le Corbusiers den jungen Architekten Siegfried Wolske unmittelbar zur Farbauswahl für seinen Bonner Bau inspiriert haben müssen.
Insgesamt nahmen VertreterInnen verschiedener fachlicher Zugänge zum Bereich Denkmalpflege am Forum teil: Kunst- und Architekturgeschichte war ebenso präsent wie Architektur und Restaurierung. Aus der Gesamtdiskussion halten wir fest, dass die Zusammenarbeit von Kunstgeschichte und Architektur sich zunehmend als wichtig herausstellt. Gerade in Zeiten, in denen Denkmalpflegerinnen und -pfleger gleichsam die „eierlegende Wollmilchsau“ sein müssen und nicht nur Stilgeschichte und Architekturvokabular verinnerlicht haben, sondern auch Ingenieurwissen und möglichst noch Psychologie beherrschen sollen. Es wäre also wünschenswert, Aspekte dieser Vielfachbegabung schon in der Ausbildung zu erwerben. Die Ausbildung sollte also entsprechend interdisziplinär vertieft werden.
Die Teilnehmer begrüßten die Einrichtung des Forums zum Berufsfeld und seine Fortführung im Rahmen der zweijährlichen Kunsthistorikertage. Für die dazwischenliegenden Jahre könnte eventuell eine andere Lösung, z. B. im Zusammenhang mit der Denkmalmesse Leipzig, gefunden werden, um einen regelmäßigen Austausch zu ermöglichen.

Martin Bredenbeck / Christina Mayer

Freitag, 29. März 2019
13:30 – 17:00 Uhr

Forum Hochschulen und Forschungsinstitute
Leitung: Johannes Grave, Bielefeld / Helga Lutz, Bielefeld

Das Motto des Kunsthistorikertages „Zu den Dingen!“ bot einen willkommenen Anlass, um danach zu fragen, welche Folgerungen die Kunstgeschichte aus dem jüngeren Interesse an Dingen, Gegenständen und Objekten, an Material und Materialität gezogen hat. Als eine der wenigen geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen, die beständig über physische, materielle Dinge arbeiten, müsste die Kunstgeschichte in besonderer Weise für den material turn aufgeschlossen sein. Zugleich fällt aber auf, dass sich in der Praxis des Faches wenig verändert hat.

In der Einleitung zur Sektion skizzierten Helga Lutz und Johannes Grave daher das widersprüchliche Verhältnis des Faches zu den Dingen. Wie andere geisteswissenschaftliche Disziplinen auch nimmt die Kunstgeschichte die ambitionierten jüngeren Ansätze nur unzureichend zum Maßstab für die eigene praktische Arbeit. Während die theoretischen Vorstöße, denen es um eine Neubewertung von Kategorien wie Präsenz oder Dinglichkeit geht, für eine produktive Verunsicherung gewohnter Routinen der Diskurse, Reflexionen und Repräsentationen plädieren, scheint dieses Irritationspotenzial in der konkreten historischen Arbeit rasch wieder gebändigt zu werden. So oft auch die verbreitete Redewendung von den „things that talk“ (Lorraine Daston) inzwischen in allen Sprachvarianten bemüht wird, bleiben es in der Regel doch die (zumeist männlichen) Wissenschaftler, die sprechen – und zwar oftmals nicht über Dinge, sondern über historische Diskurse und Konzepte, in denen Dingen eine gewisse Relevanz zukommt. Die mehr als bloß passive Rolle, die Dingen zuletzt mit unterschiedlichen Argumenten zuerkannt wurde, wird im eigenen Forschungsprozess kaum zur Geltung gebracht.
Der Vortrag von Ann-Sophie Lehmann legte offen, wie sehr die Kunstgeschichte gerade auch dort, wo sie an neuen begrifflichen und systematischen Zugängen zu Dingen und zum Material arbeitet, in der Gefahr steht, binäre Denkmuster fortzuschreiben. Der material turn sei keineswegs als gültige Antwort auf die von ihm beschriebenen Probleme zu verstehen, sondern werfe seinerseits Fragen auf. So drohen die Dinge zum Beispiel durch eine forcierte Abgrenzung von Sprache und Diskurs so sehr dem wissenschaftlichen Zugriff entrückt zu werden, dass es nicht erstaune, wenn statt der Dinge bloß Diskursformationen über Dinge („the talk about talk about things“) verhandelt würden.
Anhand eines praktischen Fallbeispiels verhandelte Ann-Sophie Lehmann mögliche Formen einer Integration von praktischem Wissen über Dinge und Material in die akademische Lehre und schlug damit bereits eine Brücke zu den beiden folgenden Beiträgen. In ihnen wurden weitere Möglichkeiten zur Diskussion gestellt, wie Dingen in der kunsthistorischen Forschungspraxis eine neue, gewichtigere Rolle zukommen kann. Carolin Bohlmann berichtete davon, wie ihre Arbeit im Museum sich im Schnittfeld von Restaurierung und kunsthistorischer Forschung bewegt. An anschaulichen Beispielen wies sie auf, welche theoretischen Herausforderungen der kunsthistorischen Analyse aus der restauratorischen Praxis erwachsen und welche Innovationspotentiale eine durch institutionelle Grenzen weniger festgelegte, praktisch informierte kunsthistorische Forschung entwickeln könnte.
Nina Samuel und Beate Söntgen stellten ein entsprechendes Pilotprojekt vor. Das Promotionsprogramm PriMus (Promovieren im Museum), das die Leuphana Universität Lüneburg mit sechs Museen durchführt, zielt darauf, Doktorand/inn/en während der Zeit ihrer Arbeit an der Dissertation eng in die Praxis von Museen einzubinden. An verschiedenen Dissertationsprojekten konnte Nina Samuel darlegen, in welch erheblichem Maße die Forschung der Promovierenden von dem direkten Umgang mit Dingen profitierte und wie sich dies zugleich auch im Zugriff auf die Themen niederschlug.
Die Beiträge und angeregten Diskussionen zeigten, wie anspruchsvoll es ist, mit dem Ruf „Zu den Dingen!“ ernst zu machen. Ein solches Anliegen erfordert nicht zuletzt ein Nachdenken über vertraute Rollenverteilungen und -klischees, über Strukturen und Institutionen, über Förderformate und Arbeitsroutinen. Vor allem die universitäre Kunstgeschichte sieht sich einer großen Herausforderung gegenüber, will sie an die neueren Ansätze tatsächlich anschließen und die Dinge wirklich zur Geltung bringen. Die häufig allzu gut und störungsfrei arbeitende Theoriebildung der akademischen Forschung könnte durch den ständigen Kontakt mit den Dingen und verschiedenen Praktikern auf fruchtbare Weise gestört werden.

Johannes Grave / Helga Lutz

Forum Freiberufler und Selbständige
Leitung: Holger Simon, Köln

Auch für Kunst und Kultur gilt: Wer in diesem Sektor Geld verdienen möchte, muss sein/ihr Geschäftsmodell vom Bedarf und Nutzen des Kunden her entwickeln. Dieses Denken ist aber uns Kunsthistoriker*innen, die wir vor allem eine wissenschaftliche Ausbildung genossen haben, zumeist fremd. Der/Die Wissenschaftler*in sucht nach Wahrheit und leitet die Fragen und auch den Erfolg nicht vom Leser ab. Der/Die Kunde*in gehört nicht zum Mindset von uns Kunsthistoriker*innen. Es ist aber für die Freiberuflichkeit und Selbständigkeit eine Grundbedingung für den Erfolg. Eingedenk dessen stand das Forum ganz im Zeichen des Cultural Entre­preneurships und den Geschäftsmodellen für Kunst und Kultur.

In seiner Einführung hat Holger Simon den Wirtschaftssektor Kultur- und Kreativwirtschaft vorgestellt und deutlich gemacht, dass sich dieser Sektor mit 98,8 Mrd. Euro Bruttowert­schöpfung nach der Automobil­industrie den zweiten Platz zusammen mit dem Maschinenbau in Deutschland teilt. So stark die Gesamtleistung ist, so sehr muss man aber auch betonen, dass die Anzahl der geringfügig Beschäftigten mit 32 % der insgesamt 1.637.961 Beschäftigen überdurchschnittlich hoch ist. Auch wenn die Gründe vielfältig und noch zu wenig erforscht sind, so war es in dem Forum einhellige Meinung, dass zum einen die Wert­schätzung der Arbeit und damit ihre Bezahlung insbesondere auch innerhalb der eigenen Community, wie z. B. von den Museen und Galerien, zu gering ist und zum anderen Kunsthistoriker*innen sich zu schlecht „verkaufen“. Ist das erstere vor allem ein Thema, dass von den Berufsverbänden stärker politisch aufgenommen werden muss, so können die Frei­be­rufler*in­nen und Selbständige an dem zweiten Thema selbst arbeiten, in dem sie ihr Geschäftsmodell schärfen.
Mit dem Value Proposition Canvas (VPC) und dem Business Modell Canvas (BMC) wurden daher zwei Methoden vorgestellt und konkret in kleinen Arbeitsgruppen getestet, die auch Nicht-Betriebswirt*innen helfen, ein solides Geschäftsmodell zu entwickeln, bzw. ein bestehendes daran zu schärfen. Ein zentrales Element zur Schärfung von Ideen ist die Bedarfsbestim­mung der Kunden und die Anpassung der Produkte und Dienstleistungen an deren Bedürfnisse. Alexander Osterwälder hat mit dem VPC eine Methode entwickelt, die nach dem Nutzen und Mehrwert (gain) und dem Problem (pain) der Kunden fragt und diese auf die Produkte und Dienstleistungen bezieht. Das BMC erweitert dieses Nutzen- und Wertversprechen dann zu einem Geschäftsmodell, in dem die Architektur der Wertschöpfung von den Schlüsselpartnern über die zentralen Tätigkeiten und Ressourcen bis zum Vertrieb und die Ansprache des Kunden geschärft werden. Beide Canvas sind vor allem dazu geeignet, mit mehreren zusammen an einem Geschäftsmodell zu arbeiten und dieses auch später fortlaufend weiterzuentwickeln. Die mehr als 100 Teilnehmer*innen haben in Gruppenarbeit Geschäftsmodelle entwickelt. Und das Feedback war eindeutig: Geschäfts­modellentwicklung kann Spaß machen!
In einer offenen Abschlussrunde wurden sehr ausführlich die Anliegen der Frei­berufler*in­nen und Selbständigen diskutiert und erste Ideen gesammelt, was wir gemeinsam und auch zusammen mit dem Verband tun können. Drei Punkte haben sich hier vor allem herausgebildet:

  1. Mindset Culture Entrepreneurship :: Wir wollen die Aufmerksamkeit für Gründungen im Kultur­sektor – im Verband und extern – stärken.
    Mehrfach wurde der Wunsch nach einer Umfrage geäußert, um zu erfahren, was Kunsthistoriker*innen eigentlich nach dem Studium tun. Dahinter steht die These, dass viel mehr als erwartet freiberuflich arbeiten. Allein ein Blick in die Mitgliederzahlen des Verbandes zeigt, dass die Berufsgruppe Freie Berufe und Selbständige die größte Gruppe ist, gefolgt von den Hochschulen und mit großem Abstand zu Museen und Denkmalpflege. Das sollte auch Folgen für die Prioritäten der Verbandsarbeit haben.
  2. informieren & netzwerken :: Wir wollen uns untereinander und mit anderen stärker vernetzen.
    Im Messengersystem Slack diskutieren bereits über 150 Mitglieder über ihre Bedürfnisse in der Freiberuflichkeit und Selbständigkeit. Wer Interesse hat, kann sich über gruendersalon.de leicht anmelden und mitmachen. Weitere Vernet­zungen und Zusammenarbeit mit anderen Verbänden werden gewünscht.
  3. zeigen & tun :: Wir wollen gemeinsame Aktionen durchführen und uns zusammen zeigen.
    Auf dem nächsten Kunsthistorikertag wollen wir den Bereich der Aussteller ergänzen durch die Präsentation von Selbständigen und Freiberuflern. Zudem wurde eine Art Honorartabelle gewünscht, die als Orientierung dienen sollte. Darüber hinaus wären spezielle Angebote wie zum Beispiel eine Betriebshaftplicht oder Versicherungen wünschenswert, die vom Verband initiiert werden müssten.

Holger Simon

Einen Bericht der Gerda-Henkel-Reisestipendiatin Isabel Neuendorf zum Forum Berufsgruppe Museum finden Sie hier (Wissenschaftsportal L.I.S.A.).