Geste, Spur und Linie. Zur Relation von Form und Technik in den druckgrafischen Verfahren der Frühen Neuzeit

Leitung: Magdalena Bushart, Berlin / Henrike Haug, Köln

Lassen sich Technik und Gestaltung getrennt voneinander verhandeln oder sind sie stets als Einheit zu sehen? Diese Frage stellt sich nirgends drängender als bei den druckgrafischen Verfahren, die häufig arbeitsteilig organisiert sind und einen doppelten Übertragungsprozess involvieren: von der Entwurfszeichnung zum Druckstock beziehungsweise der Kupferplatte ins gedruckte Bild. Gibt es eine dem Hoch- oder Tiefdruck angemessene Form? Eine Form, die dem Holzschnitt, dem Kupferstich, der Radierung „entspricht“? Wenn ja – wie ließe sich diese Entsprechung beschreiben: über einen besonders ökonomischen Einsatz der Mittel oder über die Inszenierung von Virtuosität? Über eine Semantisierung der Techniken und Materialien oder über deren Transzendierung? Welchen Stellenwert hat das Technische gegenüber dem Gestalterischen und wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Auftraggeberinnen/Auftraggebern beziehungsweise entwerfenden Künstlerinnen/Künstlern und Stecherinnen/Stechern?

In unserer Sektion werden wir einen neuen Blick auf diese Fragen werfen. Dabei geht es uns zum einen um Antworten, die in den Werken der Druckgrafik selbst aufscheinen – sei es durch einen spezifischen Einsatz der Linie beziehungsweise den Gegensatz von (schwarzem) Lineament und (weißen) Flächen, sei es durch Konzepte einer tonalen Abstufung. Zum anderen wollen wir uns der Relation zwischen gedrucktem Bild und Entwurf nähern: Welche Informationen muss der Künstler dem Stecher liefern? Wie funktionieren die Aushandlungsprozesse? Und schließlich sollen die kunsthistorischen Narrative einer Kongruenz von Form und Verfahren thematisiert werden, die insbesondere die Rezeption von Druckgrafik wirkmächtig begleitet haben und bis heute begleiten.

Kurzbiografie Magdalena Bushart
1976–1989 Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Theaterwissenschaften in Berlin, Wien und London
1990Promotion in München („Der Geist der Gotik und die expressionistische Kunst“)
1990–1992 Museumsassistentin in Fortbildung an den Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
1992-2006Wiss. Assistentin/Mitarbeiterin an der Technischen Universität München und an der Technischen Universität Berlin
2002Habilitation an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität München („Sehen und Erkennen. Albrecht Altdorfers religiöse Bilder“)
2006–2008Professorin für Allgemeine Kunstgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart
seit 2008Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Künstlerische Techniken; Bildkünste in der Frühen Neuzeit; Kunstgeschichte, Kunsttheorie und Kunstkritik im 20. Jh.
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Friedrich Steinle) Colour Histories. Science, Art, and Technology in the 17th and 18th centuries, Berlin/Boston 2015.
  • (Hg. mit Henrike Haug und Stefanie Stallschus) Unzeitgemäße Techniken. Historische Narrative künstlerischer Verfahren, Köln u. a. 2019; darin: Unzeitgemäß zeitgemäß. Hoch- und Tiefdrucktechniken in der Kunst der Gegenwart, S. 195–220.
  • Geschäftsfreunde. J. J. P. Oud und Adolf Behne, in: Sjoerd van Faasen (Hg.): Dutch Connections. Essays on International Relationsships in Architectural History in Honor of Herman van Bergeijk, Delft 2020, S. 395–415.
  • Arbeiten an der Oberfläche, in: Claudia Keller und Bärbel Küster (Hgg.): Gestundete Zeit. 100 Jahre Hans Josephson, Zürich 2020, S. 129–137.
  • (Hg. mit Henrike Haug) Geteilte Arbeit. Praktiken künstlerischer Kooperation (Interdependenzen. Kunst und Technik 5), Wien u. a. 2020.
Kurzbiografie Henrike Haug
2009Promotion („Annales Inuenses. Orte und Medien des historischen Gedächtnisses im mittelalterlichen Genua. Humboldt Universität zu Berlin“)
2009–2015 Wiss. Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin
2017–2020Juniorprofessorin für Kunstgeschichte am Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft der Technischen Universität Dortmund
2019Habilitation an der TU Dortmund („imitatio/artificium. Goldschmiedekunst und Naturbetrachtung im 16. Jahrhundert“)
seit 2020Akad. Rätin am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Goldschmiedekunst der Frühen Neuzeit; künstlerische Techniken und kunsttechnische Verfahren; Fachgeschichte (Kunsthistorikerinnen); Kunst-Stoff Glas; mittelalterliche Erinnerungskulturen
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Christina Lechtermann und Anja Rathmann-Lutz) Diagramme im Gebrauch (Das Mittelalter 22/2); darin: hic in figura et textu habetur. Bezugsfelder diagrammatischer Formen in einer Mailänder Stadtchronik des 14. Jahrhunderts, S. 351–376.
  • Der Gelehrten-Zirkel. Zum Attribut als Verweis auf praktische Erfahrung im Autorenbildnis der Frühen Neuzeit, in: Daniel Berndt et al. (Hgg.): Bildnispolitik der Autorschaft, Göttingen 2018, S. 109–129.
  • (Hg. mit Magdalena Bushart) Geteilte Arbeit. Praktiken künstlerischer Kooperation (Interdependenzen. Die Künste und ihre Techniken 5), Köln 2020.
  • imitatio/artificium. Goldschmiedekunst und Naturforschung im 16. Jahrhundert (Interdependenzen. Die Künste und ihre Techniken 7), Köln 2021.
  • Helene Wieruszowski (1893–1978). Art and the Commune in the Time of Dante, in: Lee Chichester und Brigitte Sölch (Hgg.): Kunsthistorikerinnen 1910–1980. Theorien, Methoden, Kritiken, Berlin 2021, S. 224–237.