Freitag, 25. März 2022, 13:45–16:45 Uhr, K2, Hörsaal 17.01

Forum Hochschulen und Forschungs­institute

Aus der Form geraten?
Zur Situation der uni­ver­sitären Lehre im Fach Kunst­geschichte

Leitung: Johannes Grave, Jena / Iris Wenderholm, Hamburg

Podium: Charlotte Klonk, Berlin / Ulrich Pfisterer, München

Die Öffnung des Faches Kunstgeschichte für neue Gegenstandsfelder und Weltregionen hat zu einer starken Ausdifferenzierung des Lehrangebots an den Universitäten und Hochschulen geführt. Bereits seit längerem lassen sich die Grenzen der Zuständigkeit unseres Faches nicht mehr an der „Propyläen Kunstgeschichte“ oder der „Belser Stilgeschichte“ festmachen. Außereuropäische Kunst, nicht-künstlerische Bilder und Artefakte aus verschiedensten sozialen oder kulturellen Kontexten werden zu Objekten kunsthistorischer Lehre; zugleich treten einstmals prägende Gegenstandsbereiche in ihrer Bedeutung zurück. Neben den Gegenstandsfeldern verändern sich – u. a. im Zuge der Digitalisierung – auch die Praktiken in der universitären Lehre. Und nicht zuletzt haben die Studiengangsreformen im Zuge des Bologna-Prozesses zu Tage treten lassen, wie unterschiedlich Struktur, Inhalte und Kernkompetenzen eines Studiums der Kunstgeschichte an verschiedenen Orten konzipiert werden.

Das Berufsgruppenforum soll das Motto des Kunsthistorikertages aufgreifen, um gleich in mehrfacher Weise nach der Form des Studiums der Kunstgeschichte zu fragen: Weisen die unterschiedlichen Studiengänge hinreichend viele Gemeinsamkeiten auf, um unter die gemeinsame Überschrift „Kunstgeschichte“ gefasst werden zu können? Können die Lehrprogramme noch sicherstellen, dass wir adäquat für die verschiedenen kunsthistorischen Berufsfelder ausbilden? Welche Rolle kommt dabei der Vermittlung einer Kompetenz für formale Analysen zu? Und kann es angesichts der so weitgehend ausdifferenzierten und über Europa hinausreichenden Gegenstandsbereiche der Kunstgeschichte noch erstrebenswert sein, eine vermeintlich universale Kompetenz zur Beschreibung und Analyse von Bildern, Artefakten und Bauten vermitteln zu wollen?

Das Forum soll Gelegenheit bieten, die skizzierten Fragen auf dem Podium und im Austausch mit dem Auditorium zu diskutieren. Die Zeit nach der Kaffeepause kann dabei genutzt werden, um über mögliche praktische Schlussfolgerungen, etwa die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema, zu sprechen. Daneben soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, in einer offenen Aussprache aktuelle Fragen aus dem Feld der Hochschulen und Forschungsinstitute anzusprechen, die über die zuvor diskutierten Themen der Hochschullehre hinausgehen.

Berufsgruppe Hochschulen und Forschungsinstitute

Kurzbiografie Johannes Grave
2001–2005Wiss. Mitarbeiter im SFB „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
2005Promotion an der Universität Jena
2005–2009Wiss. Mitarbeiter im NFS „Bildkritik“ (eikones) an der Universität Basel
2009–2012Stellv. Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte Paris
2012Habilitation an der Universität Basel („Architekturen des Sehens. Bauten in Bildern des Quattrocento“), ausgezeichnet mit dem Hans-Janssen-Preis 2012 der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
2012–2019Professor für Historische Bildwissenschaft/Kunstgeschichte an der Universität Bielefeld
seit 2019 Professor für Neuere Kunstgeschichte an der Universität Jena
2020Auszeichnung mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2020
Mitglied im Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker, im SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens“ und im Graduiertenkolleg 2041 „Modell Romantik“
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Temporalität des Bildes und der Bildrezeption, bildtheoretische Fragen; Praktiken des Vergleichens; Kunst, Kunsttheorie und Kunstgeschichte um 1800; italienische Malerei der Frührenaissance; französische Malerei des 17.–19. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Der „ideale Kunstkörper“. Johann Wolfgang Goethe als Sammler von Druckgraphiken und Zeichnungen (Ästhetik um 1800 4), Göttingen 2006.
  • Caspar David Friedrich, München 2012 (engl. Ausg.: London/New York 2012).
  • Architekturen des Sehens. Bauten in Bildern des Quattrocento (eikones), München 2015.
  • Giovanni Bellini. The Art of Contemplation, London/New York 2018.
  • Bild und Zeit. Eine Theorie des Bildbetrachtens, München 2022 (im Druck).
Kurzbiografie Iris Wenderholm
1996–2001Studium der Kunstgeschichte, Französischen Philologie und Volkswirtschaftslehre in Hamburg, Neuchâtel und Berlin (Magisterarbeit: „‚Diligite iustitiam qui iudicatis terram‘. Zu Domenico Beccafumis Paulusaltar“)
2001–2004Promotion an der Freien Universität Berlin („Skulptur und Malerei vor dem Paragone. Zu Funktion und Geschichte intermediärer Altarbildformen im Sakralraum der italienischen Frührenaissance“)
2004–2006Wiss. Museumsassistentin i. F. bei den Staatlichen Museen zu Berlin (Generaldirektion, Gemäldegalerie und Skulpturensammlung)
2007–2008Wiss. Mitarbeiterin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main im SFB 435 „Wissenskulturen und gesellschaftlicher Wandel“, Teilprojekt D4 „Formen und Funktionen ästhetischer Generierung von Wissen in der Frühen Neuzeit“
2008–2009Wiss. Mitarbeiterin an der FU Berlin in der DFG-Forschergruppe 606 „Topik und Tradition. Prozesse der Neuordnung von Wissensüberlieferungen des 13. bis 17. Jahrhunderts“, Teilprojekt „Signa und Res – Bildallegorien in der Renaissance (14.–16. Jh.)“
2009Wiss. Mitarbeiterin an der Technischen Universität Berlin
2009–2014Juniorprofessorin an der Universität Hamburg
2013–2017Leitung des DFG-Projekts „natura – materia – artificio. Die Reflexion von Naturmaterialien in bildender Kunst und Kunsttheorie vom 15. bis ins frühe 18. Jahrhundert“
seit 2014Professorin für europäische Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg (seit 2015 entfristet)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Materialitätsforschung, Semantiken des Materials; Bildkünste der Frühen Neuzeit in Italien und Norddeutschland; deutsche Malerei des 19. Jh.s; Wort-Bild-Relationen in außerliterarischer Emblematik; niederländische Druckgrafik
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Eckhard Leuschner) Frauen und Päpste. Zur Konstruktion von Weiblichkeit in Kunst und Urbanistik des römischen Seicento, Berlin 2016; darin: Virginitas und Fortitudo. Urban VIII. und die hl. Bibiana, S. 145–168.
  • (Hg. mit anderen) Steinformen. Materialität, Qualität, Imitation, Berlin/Boston 2018; darin: Politik der Steine. Zur Materialsemantik der Pietra dura-Tischplatten, S. 221–235.
  • (Hg. mit Markus Bertsch) Hamburger Schule. Das 19. Jahrhundert neu entdeckt, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Petersberg 2019; darin: Vorzeit und Vaterland. Die Maler der Hamburger Schule und die Entdeckung der eigenen Vergangenheit, S. 25–35.
  • Picturing the Wind. On the Interweaving of Religious, Mythological and Natural History Knowledge in Dutch Copper Engraving (c. 1600), in: Annette Gerok-Reiter et al. (Hgg.): Aushandlungen religiösen Wissens, Tübingen 2020, S. 201–221.
  • (Hg.) Stein. Eine Materialgeschichte in Quellen der Vormoderne, Berlin/Boston 2021.