Seitdem es Denkmalpflege gibt, wird darum gerungen, wie sie mit Eingriffen am Denkmal umgeht. Manchmal geht es um Reparaturen und Ergänzungen, manchmal um weitergehende Veränderungen und Fortschreibungen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde dem interpretierenden und schöpferischen Umgang viel Raum gegeben. Um 1900 verschob sich u. a. durch Georg Dehio und Alois Riegl die Haltung hin zum Konservieren statt Rekonstruieren. Heutzutage gibt die Charta von Venedig (1964) einen Rahmen vor, doch auch dieser lässt Spielraum für das alltägliche denkmalpraktische Handeln – zumal jedes Denkmal ein Individuum ist.
Wenn Reparaturen, Erneuerungen, Ergänzungen und Neubauten für neue Funktionen oder Nutzungserweiterungen anstehen, wie orientiert sich also die Denkmalpflege gestern und heute und in welchem Aushandlungsprozess werden die Formen gefunden? In der Sektion stehen dabei weniger die Formen selbst im Fokus, sondern vielmehr die Positionen und Interaktionen der Teilnehmenden und Teilhabenden und weitere Einflüsse. Gerade diese akteurbezogene Perspektive wird in der Denkmalpflege aktuell viel diskutiert. Wie beeinflussen die Motive und Interessen der Handelnden die Prozesse und damit die Formfindung? Darüber hinaus geht es um sich wandelnde Einflüsse gesellschaftlicher Art, denkmaltheoretische Grundsätze, normative Setzungen und wissenschaftliche Erkenntnismethoden, die alle bei den Entscheidungen einwirken.
Stefan Bürger öffnet in seinem Beitrag den Blick auf die mit dem Denkmal verbundenen Akteure und die Möglichkeiten ihrer Einbindung. Er führt anhand verschiedener Beispiele seine These aus, dass die Formfindung ganz wesentlich von den stattfindenden Aushandlungsprozessen beeinflusst wird. Dass diese Aushandlungsprozesse und Zielkonflikte keine Erfindung der Moderne sind, zeigt der Beitrag von Meinrad v. Engelberg, der an Beispielen aus der Barockzeit den Blick auf die vielfältigen Erwartungen richtet, die unterschiedliche Akteure einbringen, und darauf, welchen Einfluss diese Motive auf die Formfindung nehmen. Anne Scheinhardt legt den Fokus auf ein komplexes Brauerei-Areal aus dem frühen 20. Jahrhundert. Spannend ist die dialogische Betrachtung des auf die äußere Form konzentrierten Entwurfsprozesses des Architekten und des Denkmalpflegers gleichermaßen. Beeinflusst von denkmaltheoretischen Standards und geänderten Nutzungsbedarfen schienen sich beide dabei in ihrer Zeit zwischen Tradierung und Fortschreibung zu positionieren. Neue Aspekte bringt Andreas Putz in den Formfindungsdiskurs, indem er vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte der Denkmalpflege den Umgang mit dem Bauerbe der Moderne beleuchtet. Dessen Form scheint festzustehen, denn wir kennen nicht nur die zeitgenössischen Schrift- und Plandokumente, sondern auch Bildbestände sind uns umfangreich überliefert. Die Bauwerke aber verharren nicht in ewiger Jugend, sondern sind als Originalquellen in ihrer sich wandelnden Form immer wieder neu zu befragen.
Verbindendes Thema ist die Betrachtung vielfältiger Einflüsse auf die Formfindung in der Denkmalpflege. Denn eines scheint jetzt schon klar zu sein: Die Form steht nicht schon vorher fest! Und auch die Form-Findungs-Prozesse haben zwar feststehende Komponenten (z. B. Gesetzestexte, Eigentums- und Machtverhältnisse, finanzielle Mittel, praktische Zwänge, Organisationsstrukturen von Behörden), lassen aber stets erheblichen Spielraum zur Ausgestaltung und Formfindung.