Berufsgruppe Museen
Freitag, 29. März 2019, 9:15– 9:40 Uhr, ZHG, Hörsaal 008
Rüdiger Joppien, Hamburg

Das Wissen der Dinge – Zur Bedeutung der Aussagekraft musealer Objekte

Museen angewandter Kunst, einst stark besuchte Volksbildungsstätten, befinden sich heute in einer Krise der Akzeptanz. Im Laufe der Geschichte mussten sie mehrfach Profil und Ausrichtung ändern, bis sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts große Teile ihres bürgerlichen Stammpublikums verloren.
Museen angewandter Kunst tun sich schwer damit, ihre Schausammlungen so attraktiv zu machen, dass diese mit Sonderausstellungen konkurrieren können. Nicht nur, weil sie wenig Aktivität darauf verwenden, Objekte alter und neuer Zeit in einen Dialog zu setzen, sie versäumen auch, systematische Aufklärung zu Material, Ornamentik, Handwerk entlang der Epochen europäischer (und außereuropäischer) Kunstgeschichte zu leisten.
Heute kann man konstatieren, dass viele Objekte alter Kunst in breiten Bevölkerungskreisen kaum mehr verständlich sind, offenbar, weil sich ihr gestalterischer Reichtum und die ihnen innewohnenden Inhalte nur schwer vermitteln lassen. Daraus resultiert, dass in den Museen immer mehr Objekte aus Gewerken wie Möbel, Schmiedeeisen, Silber, Zinn, Glas und Keramik in die Depots verbannt werden, in der Überzeugung, diese seien für unsere Zeit entbehrlich.
Es ist durchaus zu begrüßen, dass sich auch Museen angewandter Kunst mehr denn je im zeitgenössischen Hier und Heute positionieren, doch mit der sichtbaren Ausdünnung ihrer Bestände schwindet auch ein Teil des Wissens, das diese beinhalten. Der Reichtum des Wissens, der im 20. Jahrhundert noch ganzen Generationen vertraut war, droht verloren zu gehen – ein Prozess, der medial bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren hat.
Die Anregung des Kunsthistorikertags, das Wissen der Dinge in den Mittelpunkt zu stellen und die Museen angewandter Kunst in diesen Dialog mit einzubeziehen, hilft den Museen wie der universitären Wissenschaft. In den Reihen der Studierenden ist eine beachtliche Bereitschaft erwacht, „altes“ Wissen wieder aufzugreifen und nutzbar zu machen. Daher wäre es zu wünschen, dass Museen und Universitäten in der Erforschung von Artefakten in Zukunft (wieder) enger zusammenarbeiten. So versteht sich das Referat als ein Plädoyer, das Bewusstsein für museale Objekte durch die Forschung zu beleben.
Kurzbiografie Rüdiger Joppien
1972 Promotion an der Universität Köln („Die Szenenbilder Philippe Jacques de Loutherbourgs“)
1987–2011Leitung der Abt. Jugendstil und Moderne im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
seit 2009Honorarprofessor am Kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Angewandte Kunst (Kunsthandwerk u. Design) von der Renaissance bis zur Gegenwart
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Bernard Smith) The Art of Captain Cook's Voyages, 4 Bde., Melbourne 1985–1987.
  • Elisabeth Treskow, Goldschmiedekunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1990.
  • Naum Slutzky. Ein Bauhaus – Künstler in Hamburg, Hamburg 1995.
  • (mit anderen Autoren) Louis C. Tiffany. Meisterwerke des amerikanischen Jugendstils, Köln 1999.
  • (mit anderen Autoren) Entfesselt. Expressionismus in Hamburg um 1920, Hamburg 2006.