Sektion 4: Konvolut – Ensemble – Objektkollektiv
Samstag, 30. März 2019, 14:45–15:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 009
Britta Hochkirchen, Bielefeld

Jenseits des autonomen Kunstwerks. Werkkonstellationen in Kunstausstellungen der Moderne

Die Kunst der Moderne wird häufig voreilig mit dem autonomen Werk beziehungsweise mit dem Einzelobjekt verbunden. Phänomene wie das Serielle in der Kunst oder die Auflage von Multiples werden in dieser Hinsicht als die kunstimmanente Reaktion auf dieses vermeintliche Diktum der Moderne verstanden. Betrachtet man jedoch Kunstausstellungen als einen Ort, an dem Kunstwerke der Moderne oft erstmalig wahrgenommen wurden, muss das „gegebene“ Unikat unter der Prämisse eines nun gewendeten Autonomiebegriffs der Moderne hinterfragt werden. Denn die Kunstwerke sind in der Regel innerhalb einer Ausstellung nicht als in sich geschlossene ästhetische Einheit erfahrbar. Vielmehr wird die Rezeption durch die Gegenüberstellung zweier – oder potentiell mehrerer – Werke gesteuert, indem jeweils unterschiedliche Dimensionen des Bildes wie z. B. das Motiv, die Formelemente oder der Stil in den Fokus der Wahrnehmung gerückt werden (andere hingegen nicht). Ikonischer Sinn entsteht somit immer im „Dazwischen“ der Kunstwerke und wird ebenso von der Materialität und Medialität der Objekte sowie dem situativen Kontext beeinflusst. Durch die spezifische Auswahl und Hängung einer Ausstellung werden Vergleiche inszeniert, die Hierarchisierungen, Entwicklungen und Wertungen nahelegen und damit die These von der Autonomie eines Einzelobjekts als entscheidendes Charakteristikum der Kunst der Moderne im 20. Jahrhundert unterlaufen.
Aufbauend auf Erkenntnissen der Bildkritik sollen kuratorische Praktiken des Vergleichens als Analysekriterium für Ausstellungen vorgestellt werden. Anhand verschiedener Fallbeispiele aus Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts wird aufgezeigt, inwiefern kuratorische Praktiken unter Rückbezug auf das vergleichende Sehen dazu geführt haben, aus vermeintlichen Einzelobjekten der Moderne ein Ensemble zu bilden und Deutungsperspektiven – auch in Hinblick auf die Zuordnung von Abstraktion und Figuration – festzuschreiben, sodass das Artefakt als Teil einer feststehenden Konstellation in die Kunstgeschichtsschreibung eingegangen ist. Der Vortrag, der einen praxistheoretischen Zugriff in Hinblick auf die Frage des Vergleichens vorschlägt, ist Teil der Forschungen des Teilprojekts C01 „Bild-Vergleiche. Formen, Funktionen und Grenzen des Vergleichens von Bildern“ im SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“ an der Universität Bielefeld.

Kurzbiografie Britta Hochkirchen
2002–2009 Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Bochum
2005–2006Kuratorische Assistenz am Museum Ludwig Köln (Ausstellung „Salvador Dalí – La Gare de Perpignan“)
2009–2014Promotion an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Forschungszentrum „Laboratorium Aufklärung“ („Bildkritik im Zeitalter der Aufklärung. Jean-Baptiste Greuzes Darstellungen der verlorenen Unschuld“)
2012–2014Wiss. Volontärin im Stabsreferat für Forschung und Bildung der Klassik Stiftung Weimar
2014–2017 Leitung der Redaktion der „Zeitschrift für Kunstgeschichte“
seit 2017Akad. Rätin a. Z. im Arbeitsbereich Historische Bildwissenschaft/Kunstgeschichte an der Universität Bielefeld
seit 2017Leiterin des Teilprojekts C01 „Bild-Vergleiche. Formen, Funktionen und Grenzen des Vergleichens von Bildern“ im SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“ an der Universität Bielefeld
2018Kuratorin der Ausstellung „Reinhart Koselleck und das Bild“, Ausstellungsprojekt im Bielefelder Kunstverein, am Zentrum für interdisziplinäre Forschung und in der Abt. Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Bildvergleiche und vergleichendes Sehen; Temporalität und Historizität von Ausstellungen; bildtheoretische Fragen mit Blick auf die Verbindung von Kunst und Politik; Kunst- und Kunsttheorie im Zeitalter der Aufklärung
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Elke Kollar) Zwischen Materialität und Ereignis. Literaturvermittlung in Ausstellungen, Museen und Archiven, Bielefeld 2015; darin: Das Für und Wider der Fiktion. Literaturvermittlung zwischen Immersion und Reflexion, S. 199–221.
  • Bildkritik im Zeitalter der Aufklärung. Jean-Baptiste Greuzes Darstellungen der verlorenen Unschuld (Ästhetik um 1800 12), Göttingen 2018.