Sektion 7: Zeichnungsforschung im digitalen Zeitalter
Samstag, 30. März 2019, 14:45–15:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 104
Stephanie Buck, Dresden

Kennerschaft und Digitalisierung als kuratorische Herausforderung: The Getty Paper Project am Dresdner Kupferstich-Kabinett

Durch die digitale Revolution hat sich die Arbeit von Museumskurator/-innen in den letzten Jahrzehnten stark verändert, besonders in Grafischen Sammlungen mit den meist umfangreichsten Museumsbeständen. Vor der Digitalisierung waren diese nur in Bruchteilen publiziert. In ihrer Fülle konnten die Sammlungen nur durch zeitintensive persönliche Besuche kennengelernt und recherchiert werden. Heute geht es in hohem Maße darum, die Sammlungen digital zu erfassen, online verfügbar zu machen, global akkumuliertes Wissen möglichst zeitnah zu verknüpfen und zu kanalisieren. Die Arbeit mit dem Original tritt dadurch immer stärker in den Hintergrund.
Der direkte Kontakt mit dem Kunstwerk im Original informiert aber das Denken über die Bilder. Gerade Arbeiten auf Papier stehen in Gefahr, als bloß zweidimensionale Träger von Bildinformation interpretiert zu werden. Tatsächlich handelt es sich aber um dreidimensionale Objekte mit Vorder- und Rückseite, mit Texturen und physischen Besonderheiten, die Geschichten erschließen. Sie vermitteln sich über das Studium der Originale unmittelbarer als durch digitale Reproduktionen. Dies gilt auch besonders für die physischen Fragilitäten, die mittels digitaler Bildbearbeitung weitgehend ausgeblendet werden können. Hingegen liefern hochauflösende digitale Bilder gegenüber Originalen wesentliche Mehrinformationen, da fast mikroskopische Vergrößerungen das Detailstudium problemlos erlauben. Es geht also keineswegs um eine Entscheidung für oder gegen die Digitalisierung am Museum, sondern darum, deren spezifische Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, für kennerschaftliche Forschung ebenso wie für deren Vermittlung an ein breites Publikum. Dazu gehört auch, neue Vernetzungformate zu suchen, die intensiveren Austausch ermöglichen.
Gerade für Nachwuchskurator/-innen sind Denk- und Erfahrungsräume für das Studium und die Diskussion der Originale wichtig. Im Rahmen der von der Getty Foundation geförderten Initiative „The Paper Project“ hat sich das Dresdner Kupferstich-Kabinett dieser Aufgabe gestellt und mit der Katalogisierung seiner weitgehend unpublizierten Bestände italienischer Zeichnungen des 16. Jahrhunderts begonnen. Der Beitrag stellt Anspruch, Charakter und Bedingungen des Projekts vor, das neue Möglichkeiten für kennerschaftliche Forschung in einem internationalen Netzwerk erlaubt.
Kurzbiografie Stephanie Buck
1985–1995Studium der Kunstgeschichte, Galloromanischen Philologie, Neueren deutschen Literaturwissenschaft in Würzburg und Berlin (Promotion zu den Porträts Heinrich VIII. Hans Holbeins d. J.)
1995–2001Arbeit am kritischen Katalog der niederländischen Zeichnungen des 15. Jh.s am Berliner Kupferstichkabinett als Stipendiatin der DFG
Wiss. Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der FU Berlin
2001–2004Stipendiatin der Gabriele Busch-Hauck Stiftung, Städelsches Kunstinstitut, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main (Ausstellung Wendepunkte deutscher Zeichenkunst)
2006–2015Curator of Drawings, The Courtauld Gallery, London
seit 2015Direktorin des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Nordalpine Zeichnung und Druckgrafik der Spätgotik und Renaissance; Rembrandt; Kuratieren von Arbeiten auf Papier heute; interdisziplinäre Forschung am Museum