Sektion 3: Modell-Architektur und Dominanzkultur
Donnerstag, 28. März 2019, 9:30–10:00 Uhr, ZHG, Hörsaal 008
Markus Dauss, Augsburg

Modellfall Gehry

Die Architekturmodelle Frank Gehrys sind seit einigen Jahre als Objekte eigenen Rechts on display an maßgeblichen Ausstellungsorten. Stets schon waren sie integraler Teil der musealen Präsentation eines Global Architect, dessen Aufstieg ab den 1980er Jahren von einflussreichen Shows begleitet war. Nun sind die Modelle selbst zu plastischen Ikonen avanciert. Sie machen Gehrys Werke, deren Morphologie seit den 1990ern entscheidend durch digitale Verfahren bestimmt wird, auch dinglich in renommierten Kulturinstitutionen präsent. Insofern haben Modelle stets an der Produktion eines Stararchitekten mitgewirkt.
Gehrys durchschlagender Erfolg ist nach einhelliger Meinung auf die ikonoklastische Wucht sowie den avantgardistischen Gestus seiner Entwürfe zurückzuführen. Deren Gestalt ist nun aber nicht nur Ergebnis kalkulatorischer Prozesse, sondern auch eines tastenden Experimentierens an plastischen Modellen. Als Exponate zementieren die Modelle das Bild eines der globalen Aufmerksamkeitselite angehörenden Schöpfers von Iconic Architectures. Auch wenn als Objekte eigenen Ranges präsentiert, zehren Gehrys Modelle somit nach wie vor vom Prestige der realisierten Endprodukte. Sie selbst wiederum unterstützen die Wahrnehmung seiner Schöpfungen als auf die Prozesse ihrer Erfindung sowie Genese geöffnet. Sie verleihen den eigentlich durch lange Evolution perfektionierten Gebilden eine Dimension des non-finito. Ihretwegen halten emphatische Stimmen Gehry-Bauten für besonders (kontext-)offene Werke. Kritiker hingegen sehen den prozessualen Gestus als bloße Kaschierung seiner globalen Marken- und Marktmacht. Fluide ist auch der Status von Modellen im Entwurfsprozess: Sie sind Glieder einer transmedial verzahnten Kette der Visualisierung von Entwurfszuständen. Diese umfasst an erster Stelle auch grafische Ideenskizzen – selbst häufig aufgrund ihres beschwingten Duktus als Ausweis der genialen Inspiration des Kreators präsentiert. Hinzu treten 3D-Visualisierungen (als deren frühester Adept Gehry gilt), in die die mechanisch hergestellten Modelle übersetzt, dann aber wieder aus der Virtualität in die plastische Realität transformiert werden können. Der Vortrag beleuchtet den dynamischen Status der Modelle selbst: Denn nicht nur die manuellen Entwurfsmodelle, sondern auch ihre digitalen Vettern gelten als Belege für die Kraft eines Magiers, dem stets die Fähigkeit zugesprochen wurde, aus Junk Architektur zu erschaffen – und der dieses Recycling zum Brand erhoben hat.
Kurzbiografie Markus Dauss
1995–2000Studium der Kunst- und Geschichtswissenschaft in Oldenburg und Paris (M.A. / Maîtrise d’histoire mit einer Studie zum Personendenkmal in Berlin und Paris)
2000–2004Stipendiat des EGK 625, Forschungsstipendiat des DHI Paris
2004Promotion an der TU Dresden und der École Pratique des Hautes Études Paris (Studie zur öffentlichen Architektur in Berlin und Paris)
2004–2006Postdoktorand am interdisziplinären DFG-Graduiertenkolleg „Klassizismus und Romantik“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Forschungsprojekt zum architektonischen Neoklassizismus
2006–2017Wiss. Mitarbeiter am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt (davon ein Jahr Elternzeit)
2012Habilitation, Ernennung zum Privatdozenten und Erteilung der Venia Legendi für Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt (Arbeit zur Geschichte und Theorie architektonischer Buchstäblichkeit)
2017/18Gastprofessor für Kunst- und Architekturgeschichte der Moderne an der Universität Augsburg
2018Vertretung des Lehrstuhls für Kunstgeschichte/Bildwissenschaft an der Universität Augsburg
ab 2019DFG-Projekt (Eigene Stelle) „Durchgang. Geschichte und Theorie transitorischer Räume“ am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Frankfurt
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Geschichte und Theorie der Architektur (18.–21. Jh.) und der Stadt; transitorische Räume; Bildkonzepte der Moderne; Intermedialität; kritische Theorie und Kunstgeschichte
Publikationsauswahl
  • Identitätsarchitekturen. Öffentliche Bauten des Historismus in Paris und Berlin (1871–1918), Dresden 2007.
  • (mit K.-S. Rehberg) Gebaute Raumsymbolik. Die „Architektur der Gesellschaft“ aus der Sicht der Institutionenanalyse, in: Joachim Fischer und Heike Delitz (Hgg.), Die Architektur der Gesellschaft, Bielefeld 2009, S. 109–136.
  • Das Zusammentreffen Walter Benjamins mit Aby Warburg vor einem Pariser Metroeingang, in: Jean-Louis Cohen und Hartmut Frank (Hgg.), Metropolen 1850–1950, Mythen – Bilder – Entwürfe, München 2013, S. 215–243.
  • Infrastruktur. Eisenkonstruktion, Ornament und Bildordnung in der Malerei Gustave Caillebottes, in: IMAGO. Interdisziplinäres Jahrbuch für Psychoanalyse und Ästhetik 3/2014, S. 195–222.
  • Fluchtraum. Architektur- und raumtheoretische Überlegungen zu Flüchtlingsräumen, in: Amalia Barboza et al. (Hgg.), Räume des Ankommens. Topographische Perspektiven auf Migration und Flucht, Bielefeld 2016, S. 83–100.