Sektion 6: Das Kunstwerk im Spannungsfeld von Kultur und Märkten
Freitag, 29. März 2019, 14:00–14:30 Uhr, ZHG, Hörsaal 104
Frank Zöllner, Leipzig

Salvator Mundi: Der Triumph des Marktes über die Kunst? Leonardos Serienproduktion und deren Stellung im Kunstmarkt

In der aktuellen Forschung zu den Spitzenstücken des kunsthistorischen Kanons hat es durch die Analyse der materiellen Seite des Kunstwerks erhebliche Erkenntnisfortschritte gegeben. Sie basieren auf Ergebnissen der Strahlendiagnostik sowie auf Analysen des Malmaterials, der Bildträger und der Malgründe. In diesen Zusammenhang gehören auch die Restaurierungen von Altmeistergemälden und deren Ergebnisse. Hieraus ergeben sich etliche Fragen zu Autorschaft, Serienproduktion und Vermarktung, die Gegenstand meines Beitrages sind.
Exemplarisch lassen sich diese Fragen an den Gemälden Leonardo da Vincis und an denen seiner Werkstatt vorführen. So ist kürzlich deutlich geworden, dass Leonardo als Entwerfer für Bilderfindungen tätig war, die dann mehrfach von seinen Schülern ausgeführt wurden. Hierbei bleibt in etlichen Fällen bis heute das Verhältnis zwischen Prototyp und Werkstattarbeit ungeklärt. Die gelegentlich vom Meister selbst überwachte Serienproduktion erfordert eine Neudefinition des Begriffs Autorschaft bzw. ein kritisches Nachdenken über Fragen von Kennerschaft und Zuschreibung.
Klar ist beispielsweise mit Blick auf die Anna Selbdritt, dass es einen Prototyp gibt, dessen Werkstattvarianten auf die Ansprüche unterschiedlicher Auftraggeber eingehen. Aus den Quellen wissen wir auch, dass Leonardo selbst an den Werken seiner Schüler Verbesserungen vornahm. Diese Anpassung an die Vorlieben der Käufer in der Zeit zwischen ca. 1500 und 1530 findet ein bislang wenig beachtetes Pendant in der Restaurierung und Vermarktung des 2005 wieder entdeckten und 2011 erstmals der Öffentlichkeit mit einer Zuschreibung an Leonardo da Vinci vorgestellten Salvator Mundi. Interessant sind hier zunächst die teilweise von öffentlichen Museen mitgetragenen Vermarktungsbemühungen der Besitzer des Gemäldes, das strategische Verhalten von Händlern und Auktionshäusern sowie die Manipulationen des Publikums und der Fachwelt. Richtig gehend spektakulär allerdings ist eine andere Sache: Der von Leonardo selbst konzipierte und wahrscheinlich von ihm selbst bearbeitete Prototyp wurde noch während der Phase seiner Vermarktung in den Jahren 2011 bis 2017 durch Restauratoren mehrfach verändert. Auch aktuell stellt sich also die Frage nach der Autorschaft des Bildes, nun aber nicht mehr mit Blick auf Leonardo und seine Schüler, sondern mit Blick auf die bislang nicht hinreichend dokumentierten Eingriffe der Restauratoren.
Kurzbiografie Frank Zöllner
1983–1986Aby-Warburg-Stipendium am Warburg Institute, London
1988–1992Wiss. Assistent an der Bibliotheca Hertziana, Rom
seit 1996Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Universität Leipzig
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst- und Kunsttheorie der Renaissance; Leonardo da Vinci; Aby Warburg; Leipziger Schule
Publikationsauswahl
  • Vitruvs Proportionsfigur. Quellenkritische Studien zur Kunstliteratur im 15. und 16. Jahrhundert, Worms 1987.
  • Bewegung und Ausdruck bei Leonardo da Vinci, Leipzig 2010.
  • Leonardo da Vinci 1452–1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen, Köln 2011.
  • The Measure of Sight, the Measure of Darkness. Leonardo da Vinci and the History of Bluriness, in: F. Fiorani und A. Nova (Hgg.), Leonardo da Vinci and Optics. Theory and Pictorial Practice, Venedig 2013, S. 315–332.
  • Anthropomorphism: From Vitruvius to Neufert, from Human Measurement to the Module of Fascism, Images of the Body, in: Kirsten Wagner und Jasper Cepl (Hgg.), Architecture: Anthropology and Built Space, Tübingen/Berlin 2014, S. 47–75.