Sektion 6: Das Kunstwerk im Spannungsfeld von Kultur und Märkten
Freitag, 29. März 2019, 9:30–10:00 Uhr, ZHG, Hörsaal 104
Isa Bickmann, Frankfurt a. M.

Subodh Gupta. Der Weg zum „Godfather of Indian Art“ im Marktkontext

2007 hatte der Sammler François Pinault vor dem Palazzo Grassi in Venedig die Plastik „Very Hungry God“ von Subodh Gupta aufstellen lassen. Während der Laufzeit der 52. Biennale direkt am Canal Grande platziert, erblickte jeder dort entlangfahrende Besucher den aus glänzendem Edelstahlgeschirr bestehenden riesigen Totenschädel. Guptas Einzug in die Pinault Collection bedeutete für den Künstler, dort angelangt zu sein, was Wolfgang Ullrich jüngst „Siegerkunst“ genannt hat.
Der 1964 in Bihar/Indien geborene Künstler begann als Schauspieler im Straßentheater, wurde Maler in Delhi, blieb jedoch lange Zeit erfolglos. Erst der Wechsel zur Objektkunst und Installation, insbesondere die 1996 ausgestellte Arbeit „29 Mornings“, brachte ihm internationale Resonanz. Die Einbindung von im indischen Alltag genutzten Gegenständen in sein Werk und deren spektakuläre Inszenierung erregten weltweit Aufmerksamkeit. Maßgeblich beteiligt an Guptas Erfolg ist der Kunsthandel, insbesondere die „Mega-Galeristen“ Hauser & Wirth. 1992 in Zürich gegründet, unterhält die Galerie heute zudem Standorte in London, New York, Somerset, Los Angeles, Hong Kong und Gstaad. 2009 zeigten Hauser & Wirth Subodh Gupta erstmals in einer Einzelausstellung in London und implizierten dessen globale Marktgängigkeit bereits im Begleittext mit seinem Zitat „Art language is the same all over the world, which allows me to be anywhere“.
Die Marktmacht der Mega-Kunsthändler geht soweit, dass sich Ausstellungskuratoren aus Kostengründen auf Ausstellungen einlassen, die nahezu komplett von einer Galerie finanziert werden. Allein die Infrastruktur wird von der öffentlichen Hand bereitgestellt. Das zeigte sich z. B. im Fall des Frankfurter Museums für Moderne Kunst darin, dass der Katalog der Subodh-Gupta-Ausstellung 2014/15 ausschließlich auf Englisch erschienen ist und sich damit weniger an die Frankfurter Museumsbesucher als an ein internationales Publikum richtete. Der Aufstieg dieses nichtwestlichen Künstlers soll vor allem unter dem Aspekt der Marktstrukturen untersucht werden. Guptas Werk ist ein einprägsames Beispiel dafür, wie sich künstlerische Praxis einem „Global Look“ anzupassen sucht und wie die Dominanz der Global Player im Kunsthandel die Sichtbarkeit von Künstlern auf lange Sicht bestimmt.
Kurzbiografie Isa Bickmann
1985–1993Magisterstudium der Kunstgeschichte, Europäischen Ethnologie und Medienwissenschaft in Marburg
1998Promotion an der Philipps-Universität Marburg („Leonardismus und symbolistische Ästhetik. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte Leonardo da Vincis in Paris und Brüssel“)
1998–2000Wiss. Assistentin an der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden
seit 2000Tätigkeit im Kunsthandel, insbes. in den Bereichen Galeriemanagement und Öffentlichkeitsarbeit
2004Werkvertrag an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
seit 2004vorrangig Tätigkeit als Autorin, Lektorin, Kunstvermittlerin
seit 2010Gründungsmitglied und Kunstredakteurin der Autorenplattform www.faust-kultur.de, freie Autorin u. a. für „Kunstforum International“
2016/17Lehrauftrag an der Universität Marburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst und Literatur des 19. Jh.s, insbesondere des Fin de siècle; Rezeptionsästhetik; Kunst der Moderne und Gegenwartskunst; Kunst im Kontext von Literatur und Naturwissenschaft; Kunstkritik
Publikationsauswahl
  • Leonardismus und symbolistische Ästhetik. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte Leonardo da Vincis in Paris und Brüssel (Europäische Hochschulschriften: Reihe 28, Kunstgeschichte, 337), Frankfurt a. M. u. a. 1999.
  • Bewegte Stille. Über den Bildhauer Günter Haese, in: Lothar Romain und Detlef Bluemler (Hgg.), Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 61, 3/2003.
  • Überlegungen zur Farbe Schwarz im Schaffen Armandos, in: Galerie für Zeitgenössische Kunst BWA Katowice (Hg.), Kat. Armando, Kattowitz 2007, S. 130–133.
  • Gregor Schneider, in: Maria Anna Tappeiner (Hg.), Wendezeiten. Deutschland in der Kunst, Kunstforum International 236 (2015), S. 114–115.
  • Dekadenz und Décadence. Vom Historismus zum Symbolismus, in: Kunstchronik, 70. Jg., 12/2017, S. 629–639.