Freitag, 29. März 2019, 13:30–17:00 Uhr, ZHG, Hörsaal 008

Forum Hochschulen und Forschungs­institute

Zum Status der Objekte in der kunst­historischen Forschungspraxis

Leitung: Johannes Grave, Bielefeld / Helga Lutz, Bielefeld

Die jüngere kultur- und geisteswissenschaftliche Forschung ist von einer befremdlichen Zwiespältigkeit geprägt: Im Zentrum der jüngeren Theoriebildung steht eine Rehabilitierung der Dinge, Bilder und Artefakte, die nicht mehr nur als Zeichenträger, als Gegenstände subjektiver Konstruktionen oder als lediglich instrumentell-materielle Bedingungen menschlichen Handelns verstanden werden. Mit sehr unterschiedlichen Begründungen und Akzentuierungen ist vielmehr der irreduzible Anteil der Objekte an der Konstitution von individuellen Handlungen und von sozialen Interaktionen betont worden.
Während auf theoretischer Ebene ein Ruf zurück zu den Dingen zu vernehmen ist und deren Materialität nachdrücklich in den Blick kommt, zeichnen sich in der Forschungspraxis, in den wissenschaftlichen Institutionen und in den Förderprogrammen nur allmählich Veränderungen ab, die den jüngeren theoretischen Einsichten gerecht werden. Wie aber müssten wir jene Orte und Situationen gestalten, die es uns erlauben, mit der „Herausforderung des Objekts“ und mit dessen Materialität Ernst zu machen? Muss nicht gerade die universitär-akademische Kunstgeschichte dazu neue Formen der Zusammenarbeit mit Museen, namentlich mit Kuratoren und Restauratoren, oder mit der Denkmalpflege suchen? Und müssten wir nicht unsere Lehrpläne, Forschungsagenden und Förderformate überdenken?
Das Treffen der Berufsgruppe versteht sich als Einladung, darüber nachzudenken, wie wir unsere eigene Forschungspraxis und deren institutionelle Rahmenbedingungen weiterentwickeln können. Im Zentrum steht daher nicht allein die Diskussion aktueller theoretischer Positionen, sondern vor allem die Frage nach geeigneten Praktiken und Arbeitsformen, die den neueren theoretischen Herausforderungen und Einsichten entsprechen können. Drei Beiträge entfalten die skizzierte Problematik und beleuchten sie vor dem Hintergrund aktueller Fallbeispiele. Auf dieser Grundlage soll das Forum Gelegenheit zu einer vertieften Diskussion geben.

Kurzbiografie Johannes Grave
2001–2005Wiss. Mitarbeiter im SFB „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
2005Promotion an der Universität Jena
2005–2009Wiss. Mitarbeiter im NFS „Bildkritik“ (eikones) an der Universität Basel
2009–2012Stellv. Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte / Centre allemand d’histoire de l’art Paris
2012Habilitation an der Universität Basel („Architekturen des Sehens. Bauten in Bildern des Quattrocento“), ausgezeichnet mit dem Hans-Janssen-Preis 2012 der Akademie der Wissenschaften Göttingen
seit 2012Professor für Historische Bildwissenschaft/Kunstgeschichte an der Universität Bielefeld
seit 2015Mitherausgeber der „Zeitschrift für Kunstgeschichte“
seit 2017Stellv. Sprecher des SFB „Praktiken des Vergleichens“, Universität Bielefeld
Mitglied im Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. (als Repräsentant der Berufsgruppe Hochschulen und Forschungsinstitute)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Temporalität des Bildes und der Bildrezeption, bildtheoretische Fragen; Praktiken des Vergleichens; Kunst, Kunsttheorie und Kunstgeschichte um 1800; italienische Malerei der Frührenaissance; französische Malerei des 17.–19. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Der „ideale Kunstkörper“. Johann Wolfgang Goethe als Sammler von Druckgraphiken und Zeichnungen (Ästhetik um 1800 4), Göttingen 2006.
  • Caspar David Friedrich. Glaubensbild und Bildkritik, Zürich/Berlin 2011 (frz. Ausg.: À l'œuvre. La théologie de l’image de Caspar David Friedrich, Paris 2011).
  • Caspar David Friedrich, München 2012 (engl. Ausg.: London/New York 2012).
  • Architekturen des Sehens. Bauten in Bildern des Quattrocento (eikones), München 2015.
  • Giovanni Bellini. The Art of Contemplation, London/New York 2018.
Kurzbiografie Helga Lutz
seit 2014Teilprojektleiterin in der DFG-Forschergruppe „Medien und Mimesis“ an der Bauhaus-Universität Weimar
2016Vertretungsprofessorin für Kunstgeschichte an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
2016–2017Vertretungsprofessorin für Kunst und Visuelle Kultur an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
seit 2017Professorin für Bild- und Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart an der Universität Bielefeld
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Gegenwartskunst aus der Perspektive von Kulturtechnikforschung und Actor-Network; bildtheoretische Fragen mit Blick auf Praktiken und Operationen; Entstehung des Stillebens aus der Buchmalerei des 15./16 Jh.s; niederländische und deutsche Kunst des 15. und 16. Jh.s; textile Medien
Publikationsauswahl
  • Das spätmittelalterliche Stundenbuch als Medium des Entbergens. Topologien des Faltens, Klappens, Knüpfens und Webens im Stundenbuch der Katharina von Kleve, in: Kristin Marek und Martin Schulz (Hgg.), Kanon Kunstgeschichte, München 2015, S. 85–109.
  • (mit Bernhard Siegert) In der Mixed Zone: Klapp- und faltbare Bildobjekte als Operatoren hybrider Realitäten, in: David Ganz und Marius Rimmele (Hgg.), Klappeffekte: faltbare Bildträger in der Vormoderne (Bild+Bild 4), Berlin 2016, S. 109–139.
  • Linie und Faden. Text- und Bordürengestaltung in illuminierten Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Johannes Grave und Boris Roman Gibhardt (Hgg.), Schrift im Bild, Hannover 2018 (im Erscheinen).