Mittwoch, 27. März 2019, 10:00–12:00 Uhr, ZHG, Hörsaal 105

Forum Angewandte Künste – Schatzkunst, Interieur und Materielle Kultur

Moderation: Birgitt Borkopp-Restle, Bern / Ariane Koller, Bern / Matthias Müller, Mainz / Dirk Syndram, Dresden / Barbara Welzel, Dortmund

Das Fachforum „Angewandte Künste – Schatzkunst, Interieur und Materielle Kultur“ möchte auf dem Kunsthistorikertag in Göttingen 2019 die Ergebnisse seiner ersten Tagung (Dresden, 8.–10. November 2018: „Diskursfeld Angewandte Künste I –  Werte und Bewertungen“) sowie daran anknüpfende systematische Überlegungen präsentieren und mit den Teilnehmern anhand konkreter Fallbeispiele diskutieren. Ausgangspunkt unserer Initiative ist die Beobachtung, dass den Umgang der Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts mit den Künsten der Frühen Neuzeit noch häufig, explizit oder implizit, die Bewertungen und Hierarchisierungen des 19. Jahrhunderts prägen: Mit den Gattungen der Malerei, Zeichnung und Skulptur ließen sich kunsttheoretische Diskurse verbinden, die für die angewandten Künste weitgehend zu fehlen schienen; in ihnen manifestierten sich vielmehr handwerkliche Kunstfertigkeit und ostentativ zur Schau gestellte Materialität – also eben die Eigenschaften, die das Ingenium des Künstlers doch angeblich überwand. Nur gelegentlich wurde erkennbar, dass der Primat, der Malerei und Skulptur in dieser Rangfolge der Künste eingeräumt wurde, der Bewertung der Werke in ihrer Entstehungszeit nicht entsprach – vielmehr belegen zahlreiche Quellen die hohe Wertschätzung (mit den entsprechenden Preisen), die zuerst Werken der sogenannten angewandten oder dekorativen Künste galt.
Namentlich an den europäischen Höfen der Frühen Neuzeit wurde gerade diesen Objekten ein außerordentlich hoher Rang zugemessen, und die Bezeichnung „Schatzkunst“ reflektiert nicht allein ihren materiellen Wert und die handwerkliche Meisterschaft, ja Virtuosität, die sie hervorbrachte: In den Situationen, die die historische Forschung in jüngerer Zeit unter dem Aspekt der Performativität betrachtet hat, kam ihnen nicht selten entscheidende Bedeutung zu. Ihre Auswahl für die Ausstattung von Fest- und Empfangsräumen lag häufig in der unmittelbaren Verfügung ihres fürstlichen Besitzers, in Ritus und Zeremoniell vermittelten sie höchst differenzierte Botschaften. In ihnen gewannen dynastische Tradition und dynastischer Rang genauso wie politische Bündnisse oder kulturelle und ökonomische Ansprüche gleichsam materialisierte Gestalt. Studien, die in letzter Zeit unternommen wurden, weisen darauf hin, dass für die Wertkonstitution und -vermittlung solcher Objekte deren wiederholte Aktivierung – im Sinne einer „amplificatio“ oder einer Bedeutungsakkumulation in der „longue durée“ – eine wichtige Rolle spielte.
Anknüpfend an diese vielfältigen und kulturgeschichtlich bedeutenden Aspekte einer hochgradig differenzierten und in ihrer Wertigkeit exklusiven Objektkultur möchte das Fachforum auf dem Kunsthistorikertag 2019 in Göttingen eine Diskussionsplattform bieten, um grundsätzlich Wertkategorien und Wertsetzungen in kunsthistorischen Diskursen zu beleuchten. Im Kontext einer Fachdiskussion, die sich unter dem Thema „Zu den Dingen!“ explizit dem Artefakt als „als Träger von Wissen und Geschichte(n), Handlungs­optionen und sozialen Bezie­hungen, als Grenzgänger zwischen Kulturen und Disziplinen, als biographische Spur seines Schöpfers und seiner selbst, aber auch als Herausforderung an bisherige Theorie­debatten“ widmet, erscheint es angemessen,  gerade den Objekten, die sich durch ihre Materialität und die Kunstfertigkeit ihrer Gestalter wie durch ihre Rolle in kommunikativen und performativen Situationen seit jeher ausgezeichnet haben, besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Bitte beachten Sie, dass beim Eintritt zu allen Forumsveranstaltungen – auch am Mittwoch, 27. März 2019 – eine gültige Kongress- bzw. Tageskarte vorzuzeigen ist.

 

Am Donnerstag, 28. März 2019, 10:00–11:30 Uhr, stehen im Salon auf dem XXXV. Deutschen Kunsthistorikertag (Foyer des ZHG)
als Ansprechpersonen des Forums zur Verfügung:
Birgitt Borkopp-Restle, Bern, und Ariane Koller, Bern.
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, zum „Treffen und Parlieren“ vorbeizukommen!