Der mittelalterliche Codex ist nicht einfach eine Bündelung von Texten und Bildern, sondern weit mehr als die Summe seiner Teile und Inhalte: ein nur in seiner Gesamtheit zu erfassendes Objekt. Entsprechend ist der Codex auf Gebrauch hin ausgerichtet: Seine Handhabe wird ebenso durch materielle Voraussetzungen bestimmt wie durch formale Konventionen und Kulturtechniken geleitet, die in diesem Format (weiter-)entwickelt wurden. Dazu gehören die Strukturierung und Erschließbarkeit von Inhalten anhand von spezifischen Ordnungseinheiten wie der Seite bzw. Doppelseite und Praktiken wie das Blättern oder die (rituell eingebundene) Präsentation, Weitergabe und Umgestaltung des Buches. Fragen der Materialität, der Produktion und Nutzung von Codices und deren Inhalten sind unter der Perspektive der Dinglichkeit nicht sinnvoll zu trennen.
Die Sektion nähert sich dem Buch als Objekt daher auf drei Ebenen: Die erste betrifft die materielle Konstitution des Buches und damit Veränderungen an Inhalt, Buchkörper und Einband, mit Zusätzen und Objektkombinationen wie Reliquien und Buchdeckeln. Die zweite Ebene ist dem Gebrauch oder Umgang mit Codices, den durch das Format gegebenen Voraussetzungen und dadurch geprägten Konventionen gewidmet. Dabei sollen auch Aspekte wie die Tragbarkeit des Buches und sein darüber gegebenes aktives Verhältnis zu Räumen und Orten in religionshistorischen und persönlichen Zusammenhängen diskutiert werden. Die dritte Ebene betrifft die Autorität eines Buches oder einer Buchtradition und die Frage, wie diese einerseits durch gliedernde Elemente oder Konventionen der Ausstattung, andererseits durch Praktiken im Umgang mit dem Buch hergestellt oder gesteigert wird.