Berufsgruppe Denkmalpflege
Freitag, 29. März 2019, 9:50–10:15 Uhr, ZHG, Hörsaal 009
Sarah M. Schlachetzki, Bern

Das Bauwerk in Serie. Systembau und Denkmalpflege

Mit jüngeren Zeitschichten ist die sogenannte Alltagsarchitektur in den Fokus der Denkmalpflege gerückt – geht es nun doch darum, Bauten der Nachkriegsmoderne als bauliche Repräsentanten einer längst zu historisierenden Epoche industriellen Bauens zu würdigen. Damit erhält auch der Systembau zunehmend an Aufmerksamkeit, vor allem Objekte seiner Konjunktur der 1960er- bis 1980er-Jahre, als die Idee vollumfänglich umgesetzt wurde, gleich ganze Systeme und nicht mehr nur einzelne, vorfabrizierte Teile zu montieren.

Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe «System & Serie» des ICOMOS Suisse befasst sich derzeit nebst der Erforschung schweizerischer Bausysteme mit der langfristigen Erhaltung von Systembauten sowie mit Fragen der Reparaturfähigkeit, Instandsetzung und energetischen Ertüchtigung seriell gefertigter Bauten und Bauteile. Der kunsthistorische Beitrag innerhalb der aus ArchitektInnen und Denkmalpflegern, Soziologen, Bauphysikern sowie einer Kunsthistorikerin zusammengesetzten Arbeitsgruppe nimmt dabei die Widersprüche zwischen serieller Ästhetik auf der einen und der üblicherweise festzuschreibenden Singularität des Werks auf der anderen Seite in den Blick. Nicht zuletzt zeugt die historiographisch tradierte Fokussierung auf ‚Autorenarchitektur’ von der Schwierigkeit, serielle Architektur weniger bekannter Arbeitsgemeinschaften in eine baukunsthistorisch motivierte Architekturgeschichte zu integrieren.

Im Kern des hier vorgeschlagenen Vortrags steht die Frage nach kunsthistorischen Argumenten für die Denkmalpflege, die es sich zum Auftrag macht, nun auch solche Hybride zwischen originärem Architekturentwurf und industrieller Produktion in Inventare erhaltenswerter Objekte aufzunehmen. Die klassischen kunsthistorischen Kategorien müssen dabei gemäss der Charta von Bensberg (2011) um die Dimension der „technologischen Innovationen, [... der] Ansprüche an Flexibilität und Variabilität, [und einer] Ästhetik des Seriellen“ erweitert werden. Welche Herausforderungen dies mit sich bringt und was es konkret für die Verortung eines kunsthistorischen Zugangs in solch interdisziplinären Arbeitsgruppen bedeutet, wird unter kritischer Diskussion der Systembau-Problematik erörtert. Dabei sollen sowohl die Konsequenzen einer technologieorientierten Rhetorik für die kunsthistorische Position, als auch das Potential der Kunstgeschichte in der Aufwertung „anonymer Wohnsilos“ und Nutzbauten ausgelotet werden.
Kurzbiografie Sarah M. Schlachetzki
2001–2007Studium der Kunstgeschichte, Soziologie und Französistik in Trier, Leipzig und Tours
2006–2017Forschungsaufenthalte u. a. in Argentinien, Japan, Polen und den USA Stipendien u. a. vom DAAD, dem Schweizerischen Nationalfonds und der Japan Society for the Promotion of Science
2008–2011Doktoratsstudium an der Universität Zürich und der ETH, Promotion
seit 2014Wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Architekturgeschichte und Denkmalpflege der Universität Bern
seit 2014Habilitationsvorhaben zur architektonischen Moderne in Breslau und Berlin
2015–2016Visiting Fellow an der New York University
seit 2017Mitglied der Arbeitsgruppe „System & Serie“ des ICOMOS Suisse (Referat Kunstgeschichte)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Architekturgeschichte der Moderne; Architekturgeschichte Breslaus im 20. Jh.; Raumtheorien; Systembau und Denkmalpflege
Publikationsauswahl
  • Breslau Modernism, Back on the Map. A Review of Beate Störtkuhl, Moderne Architektur in Schlesien 1900 bis 1939, and Deborah A. Barnstone, Beyond the Bauhaus: Cultural Modernity in Breslau, in: Architectural Histories 5 (2017), No. 1: Art. 4.
  • Modernism on the Margins. Breslau’s Architectural Future Between High-Rise Utopia and Down-to-earth Realism, in: Beáta Hock und Anu Allas (Hgg.): Globalizing East European Art Histories. Past and Present, New York 2018, S. 113–131.
  • ‚Die Frage gehört hierher; aber nicht mehr die Antwort’ – Alexander Schwab. Wirtschaftsjournalist und Architekturkritiker in düsteren Zeiten, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien 1/2018, S. 63–75.
  • Appropriations of the Past. The New Synagogue in Poznań and Olsztyn’s Bet Tahara, in: Yuliya Komska und Irene Kacandes (Hgg.), Eastern Europe Unmapped. Beyond Borders and Peripheries, New York/Oxford 2018, S. 175–201.
  • Monumentale Übernahmen. Wrocławs preußischer Koloss und sein sozialistisches Emblem aus Stahl, in: Candide. Journal for Architectural Knowledge, erscheint 2018.