Freitag, 25. März 2022, 9:00–13:00 Uhr, K2, Hörsaal 17.02

Re-form. Form und Formwandel in der mittelalterlichen Kunst

Leitung: Tobias Frese, Heidelberg / Anselm Rau, Stuttgart

Für die Kultur des Mittelalters war der Reform-Begriff (reformare, reformacio) von zentraler Bedeutung. Anknüpfend an den paulinischen Erneuerungsgedanken (Röm. 12,2; Phil. 3,21) wurde Kultur- und Bekehrungsarbeit wesentlich als Reform-Arbeit, als eine stetige Bemühung um Formfortschritt verstanden. Dabei ist nicht nur an die ambitionierten Bildungsreformen Karls des Großen, sondern insbesondere an die monastischen Erneuerungsbewegungen des hohen Mittelalters zu denken. Der Reform-Gedanke implizierte dabei nicht nur Wandel und Erneuerung, sondern stets auch Rückwendung zu einem früheren, als ideal vorgestellten Zustand oder Urbild.

In der Sektion soll nach diesen zugleich dynamischen wie anachronistischen Momenten des Reform-Begriffs gefragt werden. In den einzelnen Vorträgen wird das Verständnis der sog. „Reformarchitektur“, die Verwendung von Bildformularen zur Visualisierung der dominikanischen Ordenstradition, die christliche Umformung eines heidnischen Reliefs sowie die Formfindung liturgischer Geräte mit typologischen Bildprogrammen diskutiert werden.

Um Operationen an Bildern und Neuformulierungen greifen zu können, werden Aspekte politischer, theologischer sowie gesellschaftlich-sozialer Formungsprozesse und Umbrüche die Überlegungen leiten. Wie wurden Bildformen und -formulare in Transformationsprozessen zitiert und kontextgebunden neu formuliert? Inwiefern fungierte im christlichen Mittelalter die Rückwendung zu alten Formen als ein Movens für künstlerische Innovation?

Kurzbiografie Tobias Frese
1997–2004Studium der Kunstgeschichte, Geschichte, Theologie und Philosophie in Bamberg und Frankfurt/M.
2007–2008Wiss. Mitarbeiter am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt/M. im DFG-Projekt „Fühlen und Erkennen. Kognitive Funktionen der Darstellung von Emotionen im Mittelalter“
seit 2011Leiter des Teilprojekts „Schrift und Schriftzeichen am und im mittelalterlichen Kunstwerk“ am SFB 933 „Materiale Textkulturen“ (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
seit 2015Akad. Rat a. Z. am Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg
2020Venia legendi für Allgemeine Kunstgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg (Habilitationsschrift: „Ambiguität, Liminalität und Konversion. Bilder der Christophanie von der Spätantike bis ins frühe Mittelalter")
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Bilder der Wandlung; Ambiguität in der mittelalterlichen Kunst; Schrift und Bild im Mittelalter, Buchmalerei und Initialkunst; mittelalterliche Bild- und Zeichentheorien; liturgische Funktionen mittelalterlicher Artefakte; Darstellungen von Emotionen und das affektive Potential der Bilder
Publikationsauswahl
  • Die Bildkritik des Bernhard von Clairvaux. Die Apologia im monastischen Diskurs, Bamberg 2006.
  • (Hg. mit Lieselotte Saurma-Jeltsch) Zwischen Mimesis und Vision. Zur städtischen Ikonographie am Beispiel Augsburgs, Berlin/Münster 2010.
  • Aktual- und Realpräsenz. Das eucharistische Christusbild von der Spätantike bis ins Mittelalter (Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst 13), Berlin 2013.
  • (Hg. mit Wilfried E. Keil und Kristina Krüger) Verborgen, unsichtbar, unlesbar – Zur Problematik restringierter Schriftpräsenz (Materiale Textkulturen 2), Berlin/Boston 2014.
  • (Hg. mit Wilfried E. Keil und und Kristina Krüger) Sacred Scripture / Sacred Space. The Interlacing of Real Places and Conceptual Spaces in Medieval Art and Architecture (Materiale Textkulturen 23), Berlin/Boston 2019.
Kurzbiografie Anselm Rau
2002–2009 Studium der Kunstgeschichte, Psychoanalyse und katholischer Theologie in Frankfurt a. M. und Rom
2010–2011 Lehrbeauftragter an der Goethe-Universität Frankfurt a. M.; redaktionelle Tätigkeit und Autor beim Klett-Verlag
2012–2015 Promotionsstipendiat der Gerda Henkel Stiftung
seit 2016 Wiss. Mitarbeiter / Akad. Rat a. Z. am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart
2017Promotion an der Universität Frankfurt a. M. („Das Modell Franziskus. Bildstruktur und Affektsteuerung in monastischer Meditations- und Gebetspraxis“, ausgezeichnet mit dem Promotionspreis der Benvenuto Cellini Gesellschaft)
seit 2019 Habilitationsprojekt zur „Auferstehung“
2021Antrag auf Projektförderung im Eliteprogramm der BW Stiftung: „Gegenstände des Glaubens. Württembergische Altarretabel und ihr ortsspezifischer Gebrauch“
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunstgeschichte des Mittelalters; historische Emotionsforschung; Imaginations- und Gebetspraxis / liturgische Kontextualisierung des Kunstwerks; Franziskaner; Württembergische Retabel des 15. und 16. Jh.s
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Rebecca Müller und Johanna Scheel) Theologisches Wissen und die Kunst (Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst 16), Berlin 2015.
  • Im Wechselbad der Gefühle – das Lignum vitae, in: Imago 4 (2017), S. 187–211.
  • Das Modell Franziskus. Bildstruktur und Affektsteuerung in monastischer Meditations- und Gebetspraxis (Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst 22), Berlin 2019.
  • Authentifizierung eines Heiligen. Die synchrone Aktivierung des Bildes von Franziskus innerhalb der liturgischen Narration, in: Manfred Kern (Hg.): Medialität und Materialität großer Narrative. Religiöse (Re-)Formationen, Heidelberg 2021, S. 169–196.