Angesichts heutiger Methoden und Praktiken der Kunst stellt sich die Frage nach der Angemessenheit überkommener Formkonzepte, etwa der Unterscheidung zwischen künstlerischer und gesellschaftlicher Form, oder zwischen natürlichen und künstlichen Formen. Kritik gilt auch universalistischen Festschreibungen des Formbegriffs.
Unsere Sektion versucht deshalb, den Phänomenbereich und das Begriffsfeld „Form“ neu zu vermessen, indem solche Kunst- und Diskurspraktiken seit dem 19. Jahrhundert bis heute in den Blick genommen werden, bei denen die Form nicht als konstantes, überzeitliches Prinzip erscheint, sondern sich Formen als Resultate unterschiedlicher Beziehungen fassen lassen: interner Beziehungen des Kunstwerks, wie sie durch Materialität, Inhalt, ästhetischem Schein artikuliert werden; externer Beziehungen des Werks zu seinen Produktions- und Rezeptionsbedingungen; und nicht zuletzt diskursiver Beziehungen zwischen künstlerischer Praxis, kunstkritischer Kommentierung, Geschichtsschreibung und Kunsttheorie.
Die Vorträge der Sektion analysieren konkrete Kunst- und Diskurspraktiken seit dem 19. Jahrhundert bis heute, die einerseits auf Prozessen der Formierung und deren je spezifischen materiellen, sozialen und diskursiven Bedingungen beruhen, andererseits auf Prozessen der Aktivierung, die der Form von Kunstwerken zugeschrieben werden, z. B. die Wahrnehmung zu verändern, durch Ausdruck und Affizierung zu wirken oder Handlungen und Praktiken nahezulegen. Fallstudien zeigen den dynamischen Charakter der Formen sowie die hierdurch ausgelösten Diskursverschiebungen auf: etwa, wie transkulturelle Umformungen einen neuen Begriff der Moderne erfordern, wie Kraftübertragungen die Wahrnehmung von Formen verändern, wie künstlerische Handlungsanweisungen auf die Transformation menschlicher Beziehungen zielt und wie ein zwischen Alltag, Kunst und Architektur stehendes Objekt Formbegriffe aktiviert und herausfordert.
Die Sektion wurde konzipiert von Kerstin Thomas, Stuttgart, und Ralph Ubl, Basel.