Sektion 11: Bildräumlichkeit/Raumbildlichkeit – Paradigmatische Wechselbeziehungen und Übergänge ausgehend von VR
Manuel van der Veen, Bochum

Areal. Zur Bild-Raum-Teilung in Trend und Tradition

Trotz der gegenwärtigen Beliebtheit von Virtual, Mixed und Augmented Reality ist ein unsicherer Umgang mit denselben zu vermerken, welcher die eigentlich getrennten Bereiche verwischt. Diese Unsicherheit fordert die Dringlichkeit einer historischen Rückanbindung. Aus einer Betrachtung traditioneller Bild-Raum-Verschränkungen heraus lässt sich eine Begriffsbestimmung für die aktuellen Apparaturen vorschlagen: Das ist der Begriff des Areals. Mit diesem sind VR, MR und AR in ihrer gemeinsamen Medialität fassbar wie auch Differenzen dazwischen markiert. Als Fläche ist der Begriff dem Bild verwandt und definiert ebenso einen abgegrenzten Bereich, in dem das Reale a-real wird. Nach Jean-Luc Nancy ist dies zwar nicht die Verneinung des lateinischen Wortes realitas, jedoch ein glücklicher Umstand: „Zufällig eignet sich das Wort auch dazu, […] eine winzig kleine, leichte, schwebende Realität zu unterstellen“.

Das Aufkommen der neueren Verfahren lässt folglich ältere in den Fokus rücken, die bisher wenig Beachtung gefunden haben, wie beispielsweise Trompe-l’œils und räumliche Bildträger wie das Relief oder japanische Faltschirme. Diese teilen das gemeinsame Anliegen, den Bildraum und den physischen Raum des Bildträgers ineinander zu verschachteln. Eine Verschachtelung, die zusammen mit den neueren medialen Räumen der Extended Realities ein ästhetisches Konzept umfasst. In AR beispielsweise erkennen LiDAR-Scanner die aktuelle Umgebung, um ein Bild des umliegenden Raums zu erstellen. Mit dem Areal überlagert folglich ein Bild des Raums den wirklichen Raum. Ein Umstand, der in VR wiederholt erscheint, wenn die Benutzerinnen und Benutzer die Umgebung selbst nachzuzeichnen haben oder manuell den wirklichen Boden mit dem virtuellen zur Deckung bringen. Doch was geschieht, wenn das virtuelle Raumbild größer ist als der wirkliche Raum? Welche Kommunikation findet zwischen diesen Räumen statt, wenn die Bilder zittern oder die Gründe verschoben zueinander auftreten? Wie werden die raumerkennenden Techniken in der Gegenwartskunst selbstreflexiv ausgespielt, wenn der wirkliche Boden den virtuellen nachahmt oder die verschiedenen Bildräume sich labyrinthisch durchdringen? Mit dem Areal ist somit ein Begriffsangebot gemacht, um Virtual-Reality-Werke der Gegenwartskunst zu analysieren. Ein Begriff, mit dem Fläche und Raum bereits ineinandergreifen und der es ermöglicht, den Trend für die Tradition anschlussfähig zu machen.

Kurzbiografie Manuel van der Veen
2011–2017Studium der Philosophie in Freiburg – Studium der Malerei/Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe – Aufbaustudium Freie Kunst
2018–2022Promotion in Kunstwissenschaften („Augmented Reality. Trompe-l’œil und Relief als Technik und Theorie“), 2018–2020 Stipendium der FAZIT Stiftung
2020–2022Freier Lehrbeauftragter an der TU, FU, UE, KH Weißensee und UdK Berlin
2022Stipendium Neustart Kultur / Modul D
seit 2022 Wiss. Mitarbeit im kunstgeschichtlichen Teilprojekt „Virtuelle Kunst“ des SFB „Virtuelle Lebenswelten“
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Virtual und Augmented Reality; ortsspezifische Kunst; Räume zwischen 2D und 3D (beispielsweise Trompe-l’œil, Relief, Faltschirme); Malerei des 20. und 21. Jh.s
Publikationsauswahl
  • „avoid the finishing touch“. Selbstberührung nach Erwin Straus, in: Kristin Marek und Carolin Meister (Hgg.): Berührung. Taktiles in Kunst und Theorie, Paderborn 2022.
  • Zur Technik-Ästhetik der Mixed Reality. Über das Verhältnis von Redundanz und Augmentation, In: Lars C. Grabbe und Oliver Ruf (Hgg.): Technik-Ästhetik. Zur materialen und rezeptiven Systematisierung techno-ästhetischer Realität, Bielefeld 2022.
  • (mit Annette Urban und Julia Reich) passthrough. Von Portalen, Durchblicken und Übergängen zwischen den (virtuellen) Welten, in: Kunstforum International 290 (2023), S. 86–95.
  • Mediales Ineinander. Über Medienimitation mit Augmented Reality und Trompe-l’oeil, in: Nora Benterbusch (Hg.): Spotlights on Mediaborders, Berlin 2023 (im Erscheinen).
  • (Hg. mit Lars Grabbe) Bild und Augmentation. Digitale Bildpraktiken zwischen Display, Positionierung und Handlungsziel. IMAGE. Journal of Interdisciplinary Image Science, 2024 (im Erscheinen).