Sektion 11: Bildräumlichkeit/Raumbildlichkeit – Paradigmatische Wechselbeziehungen und Übergänge ausgehend von VR
Silvia Golder, Berlin
Das virtuelle Bild als Interface des Cartesianischen Theaters
Die Erzeugung von Raum durch das Bild erscheint im technischen Zeitalter von Virtual Reality von neuer Brisanz, in welchem die bisherigen Methoden der Raumbildlichkeit durch neue Formen der Immersion abgelöst werden. Sogenannte VR-Experiences, ermöglicht durch das Head-Mounted-Display als Ausgabegerät, zeigen neue Möglichkeiten der immersiven Raumerfahrung auf, basierend auf Techniken, wie etwa der 3-D-Photogrammetrie.
Mit Blick auf die aktuellen Technikentwicklungen in VR und AR, erscheinen die Möglichkeiten des ortsunabhängigen Reisens durch Zeit und Raum schier grenzenlose, utopische Erfahrungen zu bieten. POV-Sichten bieten Usern und Userinnen solcher Anwendungen sogar die subjektive Sicht Anderer und somit auch das Eintreten in individuelle Vorstellungswelten, im Sinne der Poesis.
Das virtuelle Bild fungiert dabei als Interface, welches als Schnittstelle zwischen zweidimensionaler Bildfläche und dem dargestellten Raum die tradierten Grenzen aufzuheben vermag und einen Brückenschlag zwischen dichotom beschriebenen Bilderwelten und Raumsphären verspricht.
So zeigt beispielsweise die Arbeit der Künstlerin Lauren Moffatt die Möglichkeit, das Bewusstseinstheater Anderer zu betreten. Dieser Vorgang stellt vor, dass die mentalen Räume in den Köpfen ihrer Figuren wie kleine Bühnen betreten werden können, deren vierte Wand durchbrochen wurde. Sich darin befindend, wird der Blick aus dem Inneren des Kopfes nach außen gewendet und soll wiederum Aufschluss über deren subjektive Wahrnehmung geben.
Während nun CT und MRT tatsächlich den Blick in das Innere des lebendigen Kopfes in Echtzeit bieten, vermögen sie aber nicht Bewusstseinsemanationen sichtbar zu machen. Bei Moffatt jedoch inszeniert sich die VR-Technik in der Lage, solche Einblicke zu realisieren. Wie in einem Cartesianischen Theater (Daniel Dennet) betritt man einen Raum und übertritt die Schwelle zum immateriellen Geist, womit die decartsche Trennung zwischen Wahrnehmung und Bewusstsein ästhetisch versöhnt zu sein scheint. Damit einhergehend präsentiert sich diese Technik als Mittel der Grenzüberschreitung zwischen Bild und Raum aber auch zwischen Körper und Bewusstsein. Ob diese technisch künstlerische Methode allerdings wirklich in der Lage ist, die seit der Renaissance bestehende Leib-Seele-Dichotomie neu zu verhandeln, ist Gegenstand dieses Beitrags und Anstoß zu einem Diskurs des virtuellen Bildes als Interface im Rahmen neuer Bildtechnologien der Virtual Reality.
Kurzbiografie Silvia Golder
seit 2013 Selbstständige Tätigkeit als Kunstvermittlerin (Schwerpunkt in der zeitgenössischen Kunst)
2013–2015 Filmproduktionen für Kino, Werbung und TV (1. Production Assistant)
2015–2019 Bachelorstudium der Kunst- und Bildgeschichte in Berlin („Schwarz auf Schwarz – Rodçenkos Auseinandersetzung mit dem Ende der Malerei“)
2020–2023 Masterstudium der Kunst- und Bildgeschichte in Berlin („Das virtuelle Bild als Interface des Cartesianischen Theaters bei Lauren Moffatt’s ,Image Technology Echoes‘ (2021)“)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte
Neue digitale Kunst und das virtuelle Bild (20. und 21. Jh.);
zeitgenössische Kunst, Berlin und international;
russische Avantgarde des frühen 20. Jh.s