Berufsgruppe Denkmalpflege
Freitag, 25. März 2022, 9:15– 9:35 Uhr, K2, Hörsäle 17.52 & 17.21
Ulrich Garbe, Hamburg

Denkmalpflege in sich wandelnden Gesellschaften

Die klassische staatliche Denkmalpflege steckt ganz offenbar in einer Phase des Umbruches. Neben der Vielfalt der Denkmale, die ständig hinzu kommen, ist offenbar die Erosion derer, die wegbrechen, etwas aus dem Blick geraten. Zudem wird die Aufgabe der Denkmalpfleger in den sich wandelnden Gesellschaften nicht unbedingt leichter.
Vier Faktoren nagen beharrlich am gesellschaftlichen Konsens der Bewahrung des „Alten und Guten“:

1. Das billige Geld macht es es seit 2008 unmöglich, Eigentümerinnen und Eigentümer behördenseitig unter Druck zu setzen, um Kompromisse zu erzielen. Im Gegenteil, je länger ein Grundstück liegt, desto wertvoller wird es. Investitionen in den Bestand, lange Zeit maximal etwas teurer als der Neubau, erweisen sich nun aus vielen Gründen als nicht mehr darstellbar.

2. Die individualisierte Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über den eigenen Verfügungswillen zu stellen. So sind es nicht mehr nur große Investoren, die staatliche Eingriffe in ihr Eigentum als vermeidbare Zumutung ansehen.

3. Die Ausdünnung der Behörden in den 90er und 00er Jahren, als Verschlankung des Apparates verkauft, hat zusammen mit einer zunehmenden Rechtsbasiertheit der Prozesse dazu geführt, dass es vielerorts nur noch um Verwaltung und weniger um Pflege geht. Da andererseits die individuelle Bereitschaft abnimmt, Verantwortung für folgenreiche Entscheidungen zu übernehmen, fehlen oft klare und schnelle Vorgaben.

Hinzu kommt 4., dass durch den verstärkten Handlungsdruck in Sachen Klimawandel eine nicht so neue Kraft weiter auf den Denkmalbestand wirkt, auch wenn hier längst ein Umdenken hätte einsetzen müssen. Die Alterung der Gesellschaft und Gender-Debatten erfordern zudem wichtige, aber nicht immer leicht verdauliche Anpassungen.

Wie kann damit in Zukunft umgegangen werden und mit welchen Maßnahmen ist vielleicht doch noch ein Umschwenken möglich? Anhand von Beispielen aus der Geschichte der Denkmalpraxis können diese vier Punkte belegt und dargestellt werden.
Kurzbiografie Ulrich Garbe
1985–1989Tischlerlehre und Gesellenprüfung, Fortbildung Gestalter im Handwerk
1989–1996Studium der Architektur in Kassel und Manchester
1990–2003Mitarbeiter in Architekturbüros in Kassel, Halle/Saale, Hamburg und Stockholm
seit 2004Architekturbüro für Bauerhalt, Denkmalpflege und Entwerfen in Hamburg
2006–2012Gebietsreferent für Praktische Denkmalpflege in Hamburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Farbe in der Architektur des neuen Bauens