Sektion 8: Formanalyse und Formfindung in Zeiten computergenerierter Architektur
Samstag, 26. März 2022, 9:15– 9:45 Uhr, HP, Hörsaal 2.01
Dominik Lengyel, Cottbus / Catherine Toulouse, Berlin

Die formale Sprache computergenerierter Architektur

Computergenerierte Architektur kann, wie jede andere Entwurfsmethode auch, ungeahnte Potentiale freisetzen, birgt aber auch ein nicht zu unterschätzendes Risiko: Automatismen. Und auch wenn der Computer erst in jüngster Zeit offensichtlich integrativ und formgenerierend eingesetzt wird, wird er schon seit langem nicht nur abbildend und schrittweise eingesetzt.

Tatsächlich erst durch ihn möglich sind völlig freie Flächen. Legendär ist die Gegenüberstellung von Formfindung bei Peter Eisenman und Produktion bei Frank O. Gehry. Die sprachlichen Voraussetzungen zur Beschreibung dieser Formen liegen in der Geometrie. Anders aber als dort gebräuchliche Begriffe wie die Schraube, „helix“, die der Alltagssprache entlehnt sind, ist es hier das Akronym NURBS, welches für Non-Uniform Rational Basis Spline steht, was aber Nicht-Mathematikern auch nicht weiterhilft und eine sich frei im Raum windende Oberfläche beschreibt. Diese Freiheit unterscheidet sie von der organischen Architektur von Frei Otto oder Antoni Gaudí, die sich aus dem Tragwerk heraus entwickelt hat, während sich NURBS von der Funktion emanzipiert haben.

Zuvor schon beeinflusste der Computer die Formgenerierung durch seine ordnende Funktion. Der Untertitel der „Ensemble d’édifices“ von Jean-Nicolas-Louis Durand beschreibt diese Ordnung als Operationen, die schon in den ersten Computersystemen enthalten waren und das Entwerfen sehr effizient und mit einer Tendenz zur banalen Wiederholung unterstützen: einfaches Aneinanderreihen von Linien und Kreisbögen im Grundriss, müheloses Kopieren in allen Variationen von Spiegelung über Drehung bis Raster. Hinzu kommt eine jüngere Tendenz, diese Ordnung durch Variationen so zu verfremden, dass sie an einen Strichcode erinnert. Diese formale Analogie ist so deutlich, dass der Strichcode sinnbildlich für digital specificity in Entwurfsabläufen steht – und dies selbst dann, wenn die Formvariation tatsächlich von Hand ausgeführt ist.

Zwischen Funktion und Beliebigkeit, aber auch Ordnung und Banalität liegt der Spielraum computergenerierter Architektur. Man begegnet dort Automatismen – häufig reine Verlegenheitslösungen – durch obligatorische Handskizzen und plastische Architekturmodelle, bevor der Computer zum Einsatz kommt.
Kurzbiografie Dominik Lengyel
1991–1992Studium der Mathematik und Physik in Essen und Stuttgart
1992–1997Studium der Architektur an den Universitäten Stuttgart, Paris-Tolbiac und der ETH Zürich
1997–1998Mitarbeiter im Architekturbüro Prof. O. M. Ungers (Ausführungsplanung)
seit 1999Mitinhaber des Büros Lengyel Toulouse Architekten
2002–2005Vertretungsprofessor an der Technischen Hochschule Köln
2005–2006Professor an der Technischen Hochschule Köln
seit 2006Lehrstuhlinhaber für Architektur und Visualisierung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
seit 2018Mitglied in der Europäischen Akademie des Wissenschaften und Künste in Salzburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Visualisierung geisteswissenschaftlicher Hypothesen (Archäologie/Bauforschung); Visualisierung in der Architektur; Gestaltung in der Industrie (Energiewirtschaft, Maschinenbau, Sicherheit); bauliche Kriminalprävention (Normierung stadtbildprägender Sicherheitsmaßnahmen)
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Catherine Toulouse und Barbara Schock-Werner) Die Bauphasen des Kölner Domes und seiner Vorgängerbauten, Köln 2016.
  • (mit Catherine Toulouse) Die digitale Visualisierung von Architektur, in: Blickpunkt Archäologie 2/2016, S. 91–98.
  • (mit Catherine Toulouse) Die Echtersche Idealkirche. Eine interaktive Annäherung, in: Damian Dombrowski, Markus Josef Maier und Fabian Müller (Hgg.): Julius Echter. Patron der Künste, Berlin 2017, S. 127–129.
  • (mit Catherine Toulouse) Zum Erscheinungsbild der Visualisierungen des Berner Münsters, in: Bernd Nicolai und Jürg Schweizer (Hgg.): Das Berner Münster. Das erste Jahrhundert: Von der Grundsteinlegung bis zur Chorvollendung und Reformation (1421–1517/1528), Regensburg 2019.
  • (mit Philipp Schaerer) Visualisation, in: Ludger Hovestadt, Urs Hirschberg und Oliver Fritz (Hgg.): Atlas of Digital Architecture. Terminology, Concepts, Methods, Tools, Examples, Phenomena, Basel 2020, S. 284–323.
Kurzbiografie Catherine Toulouse
1999Gründung des Büros Lengyel Toulouse Architekten
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Bauforschung; Visualisierung in der Architektur
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Dominik Lengyel und Barbara Schock-Werner) Die Bauphasen des Kölner Domes und seiner Vorgängerbauten, Köln 2016.
  • (mit Dominik Lengyel) Die digitale Visualisierung von Architektur, in: Blickpunkt Archäologie 2/2016, München, Stuttgart, Darmstadt 2016, S. 91–98.
  • (mit Dominik Lengyel) Die Echtersche Idealkirche. Eine interaktive Annäherung, in: Damian Dombrowski, Markus Josef Maier und Fabian Müller (Hgg.): Julius Echter. Patron der Künste, Berlin 2017, S. 127–129.
  • (mit Dominik Lengyel) Zum Erscheinungsbild der Visualisierungen des Berner Münsters, in: Bernd Nicolai und Jürg Schweizer (Hgg.): Das Berner Münster. Das erste Jahrhundert: Von der Grundsteinlegung bis zur Chorvollendung und Reformation (1421–1517/1528), Regensburg 2019.