Sektion 4: Space – Museum – Gender. Materielle und immaterielle Manifestationen von (Kunst-)Sammlerinnen (1750–2024)
Daniela Roberts, Würzburg

Die „Pomfret Marbles“ in Oxford. Gen­der­politische Dimension und musea­le Perfor­manz der Schen­kung Hen­riet­ta Louisa Fermors

Henrietta Louisa Fermor, Countess of Pomfret, gilt als eine der frühesten und innovativsten Förderinnen des Gothic Revival. Ihre Bildungsaspirationen, wenn auch von Horace Walpole belächelt, sind greifbar in der gemeinsam mit ihrem Mann 1739–1741 unternommenen Grand Tour durch Italien. 1755 vermachten die Kunstmäzenin und Sammlerin die wertvolle Skulpturensammlung der Familie, ursprünglich Teil der berühmten Arundel-Antiken, der Universität Oxford. Durch den Ankauf der Skulpturen von ihrem Sohn und Erben George Fermor verhinderte sie die Auflösung der Sammlung und machte sie zugleich der Öffentlichkeit zugänglich.

In meinem Vortrag möchte ich Lady Pomfrets Anteilhabe an der Skulpturensammlung ihres Schwiegervaters, an deren Erweiterung, Bewahrung sowie gezielten Sichtbarmachung erstmalig untersuchen. Hinterfragt wird die von der Forschung ihr oft einseitig zugewiesene Bedeutung als Pionierin des Gothic Revival, die ihr ein wertschätzendes, ästhetisches Interesse an den antiken Skulpturen abspricht. Ausgehend von ihrer Korrespondenz soll ihre Sammlungspraxis im Verhältnis zu den männlichen Familienmitgliedern eingehend betrachtet werden. Als Referenzrahmen ihres sammlungsorientierten Agierens dienen ihre sozialen Netzwerke mit gleichgesinnten aristokratischen Damen wie Frances Seymour (Duchess of Somerset). Zentral für die Untersuchung ist die Rolle Sir Roger Newdigates, einem Kenner der Antike, der als Vermittler für Lady Pomfrets Vermächtnis zugunsten der Oxforder Universität agierte und sich jahrzehntelang für eine adäquate Präsentation der Skulpturen einsetzte. Wenngleich Newdigate wegen seiner Kontakte zur Universität Oxford als geeigneter Fürsprecher dieser Angelegenheit schien, ist an dieser Stelle die Wirksamkeit patriarchalischer Strukturen, insbesondere innerhalb des männlich geprägten akademischen Raums zu diskutieren. Entsprechend ist zu fragen, wie der Befugnisrahmen gestaltet war und inwieweit Lady Pomfret weiterhin Einfluss auf die Verwahrungsmodalitäten der Skulpturen hatte.

Um die Bedeutung von Lady Pomfrets Sammlungsengagement für die musealen Einrichtungen der Universität Oxford, zuletzt das Ashmolean Museum, zu verstehen, werden die Instrumente der Sichtbarmachung und Vermittlung ihres historischen Beitrags untersucht. In den Blick kommen hier zum einen schriftliche Dokumentationen wie die Studienreisen von G. F. Waagen, zum anderen materielle Zeugnisse (Büsten, Inschriften etc.) und die Baukonzeption des Ashmolean Museum.

Kurzbiografie Daniela Roberts
2001Magisterabschluss in Kunstgeschichte, Mittlerer und Neuerer Geschichte und Kirchengeschichte in Göttingen
2003–2005 Promotionsstudium in Museums- und Ausstellungswesen an der Ludwig-Maximilians-Universität München
2006Promotion in Kunstgeschichte an der Universität Leipzig („Imago Mundi: Die Sicht auf die Welt. Eine ikonographische und mentalitätsgeschichtliche Studie, ausgehend von Hans Holbein d. J. The Ambassadors“)
2005–2008Wiss. Volontariat und anschl. Projektassistenz an der Staatsgalerie Stuttgart
2008–2012Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig
2012–2015Kustodin für die Sammlung Malerei, Skulptur und Grafik am Städtischen Museum Braunschweig
seit 2015Wiss. Mitarbeit am Institut für Kunstgeschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Sammlungsgeschichte (Sammlungspraxis, Display-Strategien, Rahmenwerke); Gothic-Revival-Architektur und Raumkonzepte in Großbritannien und Europa; Geschichte des europäischen Landschaftsgartens und Architekturstaffage; Diskurse zu Ornament und Material in der Neuzeit; Renaissanceforschung im Bereich (Musik-)Ikonografie, Emblematik, Kultbilder
Publikationsauswahl
  • The Thorn of Scorn – John Nash and his All Souls Church for a Transformed Regency London, in: Michela Rosso (Hg.): Laughing at Architecture. Architectural Histories of Humour, Satire and Wit, London u. a. 2018, S. 57–71.
  • (Re)framed Worship and Identity. Updating Pious Images in 15th Century Florence, in: Julia Dellith, Johannes Gebhardt et al. (Hgg.): Recycle – (Re)Invent. Rezeptionswege von Byzanz bis in die Leipziger Moderne, Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Frank Zöllner, Leipzig 2021, S. 76–97.
  • Grand Tour Pickings – Antiquities for Georgian Gothic Houses, in: Pilar Diez del Corral Corredoira (Hg.): Buying Art and Antiquities in Eighteenth-Century Italy, Madrid 2023 (in Vorbereitung).
  • „Classical Gothic“ – Hybrid Interior Designs by Robert Adam and John Soane, in: Agata Kubala (Hg.): The Greek Revival and the Gothic Revival. Reception of Ancient Greek and Medieval Art and Culture in the Period between 1750 and 1850, Breslau 2023 (in Vorbereitung).
  • Neogotischer Raum und das (Vor)Zeigen antiker Kunst. Der Dining Room in Arbury Hall, in: Christina Strunck (Hg.): Bild-Raum-Wissenschaft / Spatially Embedded Art, Darmstadt 2023 (in Vorbereitung).