Der Gemäldezyklus im albergo der Scuola Grande di S. Giovanni Evangelista in Venedig (Gentile Bellini, Lazzaro Bastiani, Vittore Carpaccio, Giovanni Mansueti, Benedetto Daina) ist als signifikante Etappe in der Entwicklungsgeschichte der Stadtvedute und unverzichtbare Quelle der Architektur- und Städtebaugeschichte berühmt geworden: Ein neuartiger Standard der Präzision und „Naturwahrheit“ scheint nicht zuletzt mit den Mitteln der Perspektivkonstruktion etabliert zu werden, welcher der Vedutenmalerei des 18. Jahrhunderts (und ihrem Rückgriff auf die Camera Obscura) den Weg bahnt. Im Studium dieser Zusammenhänge kommt aber die Tatsache zu kurz, dass die Ortsdarstellung in diesen Gemälden narrativen Erzählgehalten nicht einfach als Kulisse dient, sondern strukturell mit ihnen verschränkt ist. Eine Analyse dieser Verknüpfungen ergibt, dass die Räumlichkeit dieser Bilder von Raumvorstellungen und -praktiken (Itinerare, Portolane, nautische Navigation) inspiriert ist, die es notwendig macht, über ihre Stellung im Zusammenhang der Wissensgeschichte und Kartografieentwicklung neu nachzudenken.