Sektion 5: Pariser Stadt-Bild-Raum-Geschichten
Alexandra Karentzos, Darmstadt / Miriam Oesterreich, Berlin

Die Welt en miniature: Bild-Räume im Kontext der Pariser Weltausstellungen

Kunst, Mode und Industrie werden im Kontext der fünf Pariser Weltausstellungen zwischen 1855 und 1900 durch Druck- und Bildmedien visualisiert. Diese etablieren Paris als Metropole des Fortschritts und als Hauptstadt der Kunst und Mode. Auf dem Gelände der Weltausstellungen wird die Welt en miniature versammelt: Durch die Ausstellung von Objekten, Kunst und Mode „aus der ganzen Welt“ wird eine einheitliche Vision der Welt erfunden. Nicht nur die Weltregionen und Nationen werden nebeneinander präsentiert und geordnet, sondern auch die Künste bilden gemeinsam mit technologischen Innovationen, Industriepalästen und nationalen Ausstellungsarchitekturen ein „Gesamtkunstwerk“. Lediglich ein kurzer Gang von einem Pavillon zum nächsten ermöglicht Besucherinnen und Besuchern einen „touristischen Blick“ (John Urry) auf die „ganze Welt“, der dazu einlädt, verschiedene Nationen und Kolonien, Kunst und Artefakte, Moden und Kostüme, Konzepte von Modernität und Tradition zu vergleichen. Die Weltausstellungen finden ihre Erweiterung in den Stadtraum etwa durch neu entstehende Kaufhäuser, in denen man die ausgestellten globalen und kolonialen Waren selbst erstehen kann. Im impressionistischen Bild des Flaneurs und Bohemiens kommen in diesem Sinne das Gehen im Stadtraum, ästhetisierendes Sehen und der Konsum von erschwinglichen Waren und Modeartikeln zusammen. Die explizit urbane Praxis des Flanierens verbindet das Sehen und Gesehenwerden. Während sich Paris, etwa mit der Skulptur der „Parisienne“ prominent über dem Eingang der Exposition Universelle 1900, als Zentrum der Kunst und Mode entwirft, werden andere Positionen zu Peripherien. Mit den internationalen Gästen sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Weltausstellungen werden diese Blickstrukturen aber in Frage gestellt.

Auf diese Weise wird die urbane Promenade selbst zum Laufsteg für die ganze Welt: Die Metropole Paris wird erst produziert durch das Zusammenkommen der Künste und Moden der verschiedenen „Peripherien“. Diese transkulturellen Austauschprozesse sollen im Fokus unseres Vortrags stehen. Die Pariser Weltausstellungen werden als „Kontaktzonen“ (Mary Louise Pratt, Brenda Hollweg) verstanden, die als Orte (kolonial bedingter) hierarchischer Aushandlungsprozesse zwischen Kunst und Nicht-Kunst, Modernen und Moden diskutiert werden und somit auch das Potenzial haben, die Kunst(-geschichte) zu dezentrieren.

Kurzbiografie Alexandra Karentzos
1993–1998Studium der Kunstgeschichte, Archäologie, Psychologie und Pädagogik in Bochum
1998–2002Promotion an der Ruhr-Universität Bochum („Kunstgöttinnen. Mythische Weiblichkeit zwischen Historismus und Secessionen“), Promotionsstipendien der Graduiertenförderung NRW und der Studienstiftung des deutschen Volkes
2002–2004Wiss. Assistenz an den Staatlichen Museen zu Berlin (Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin und Alte Nationalgalerie) und Lehrbeauftragte für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
2004–2011Juniorprofessur für Kunstgeschichte an der Universität Trier
2005Gründung des Centrums für Postcolonial und Gender Studies (CePoG) an der Universität Trier (mit Viktoria Schmidt-Linsenhoff und Katja Wolf); 2005–2011 Vorstand und seit 2011 Mitglied im Beirat
2007Forschungsstipendium am Dartmouth College, Hanover/USA in der Forschungsgruppe „No Laughing Matter. Visual Humor in Ideas of Race, Nationality, and Ethnicity”
2008Gastwissenschaftlerin am Institut für Kunstgeschichte an der Universidade Federal de São Paulo (DFG-geförderter Aufenthalt)
2010–2011Fellow am Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald
seit 2011Professur für Mode und Ästhetik an der Technischen Universität Darmstadt
2022Visiting Scholar an der University of Cincinnati am Department of German Studies
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst und Globalisierung seit dem 19. Jh.; Mode und Kunst auf den Weltausstellungen des 19. Jh.s; Kulturtheorien (Visual Culture, Postcolonial, Gender Studies, Systemtheorie); Reise und Tourismus in der Kunst; Antikenrezeptionen
Publikationsauswahl
  • Kunstgöttinnen. Mythische Weiblichkeit zwischen Historismus und Secessionen, Marburg 2005.
  • (Hg. mit Julia Reuter) Schlüsselwerke der Postcolonial Studies, Wiesbaden 2012; darin: Postkoloniale Kunstgeschichte, S. 249–266.
  • Images of the ,Exotic‘? Gottfried Lindauer in the Context of European Portraiture, in: RIHA Journal 0193 (2018) (https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/rihajournal/issue/view/4992).
  • (Hg. mit Miriam Oesterreich und Buket Altinoba) ,Gesamtkunstwerk World’s Fair‘. Revisioning International Exhibitions, RIHA Journal Special Issue 2023 (im Erscheinen).
  • (Hg. mit Miriam Oesterreich und Buket Altinoba) The Paris World’s Fairs – (Re-)Productions of Art and Fashion (DFK Passages online), Paris 2023 (im Erscheinen).
Kurzbiografie Miriam Oesterreich
2001–2008Studium der Kunstgeschichte, Romanistik, Alt-Amerikanistik (Magister Artium) in Heidelberg, Havanna, Valencia und Berlin
2008–2011Wiss. Mitarbeiterin in der Exzellenzinitiative der Universität Heidelberg, Forschungsbereich Transcultural Studies: Nachwuchsgruppe Prinzip „Personifikation“
2011–2012Volontariat am Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen a. Rh.
2013–2020Wiss. Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Mode und Ästhetik an der Technischen Universität Darmstadt
2014Promotion an der Freien Universität Berlin („Bilder konsumieren – Inszenierungen ,exotischer‘ Körper in früher Bildwerbung, 1880–1914“)
2016 & 2017Fellowship an der Transregionalen Akademie „Global Modernisms“ in São Paulo und „Mobility“ in Buenos Aires (organisiert von Forum Transregionale Studien, Max-Weber-Stiftung, DFK Paris, Terra Foundation, BMBF)
2019Ansel-Adams-Fellowship, Forschungsaufenthalt am Volckerding Study Center, Center for Creative Photography, University of Arizona/USA
2020–2021Athene Young Investigator an der Technischen Universität Darmstadt
2020–2021Post-doc researcher im Trans-Atlantic Platform for the Social Sciences and Humanities / BMBF-Projekt „Worlding Public Cultures: The Arts and Social Innovation“, Center for Transcultural Studies, Universität Heidelberg
seit 2021Professur für Theorie der Gestaltung / Gender Studies an der Universität der Künste Berlin
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunstgeschichte des 19., 20. und 21. Jh.s; lateinamerikanische Kunstgeschichte; Indigenismus und Modernekonzeptionen; Weltausstellungen; Kunstgeschichte als Verflechtungsgeschichte
Publikationsauswahl
  • Bilder konsumieren. Inszenierungen ‚exotischer‘ Körper in früher Bildreklame, 1880–1914, München 2018 (zugl. Diss. Berlin 2014, Reihe: Berliner Schriften zur Kunst).
  • The Display of the ,Indigenous‘ – Collecting and Exhibiting ,Indigenous‘ Artifacts in Mexico, 1921–1940, in: Artelogie Special Issue 12 (2018): The Idiosyncrasy of Indigenism in Latin America. Plurality of Sources and Extra-Latin American Appropriations (https://journals.openedition.org/artelogie/2201).
  • Un/Designing the Borderline: Walls, Bodies & Creative Resistance, in: Design and Culture. The Journal of the Design Forum (2023) (https://doi.org/10.1080/17547075.2023.2188545).
  • (Hg. mit Buket Altinoba und Alexandra Karentzos) The Paris World’s Fairs – (Re-)Productions of Art and Fashion (DFK Passages online), Paris 2023 (im Erscheinen).
  • (Hg. mit Buket Altinoba und Alexandra Karentzos) ,Gesamtkunstwerk World’s Fair‘. Revisioning International Exhibitions, RIHA Journal Special Issue 2023 (im Erscheinen).