Sektion 9: Bild und Verführung: Denkmalpflegerischer Umgang mit digital erzeugten Räumen und ihren Bildern von Geschichte
Silke Langenberg, Zürich / Robin Rehm, Zürich

Digitales Bild und Affekt. Zur Simulation in Architektur und Denkmalpflege

Digitale Bildmedien verändern die Produktion und Rezeption von Architektur in bislang nicht dagewesener Weise. Die bereits 2001 von Oliver Grau formulierte Frage: „Was unterscheidet die Bilder der Medienkunst von Bildern früherer Zeiten?“ verdeutlicht den Bruch der Gegenwartsarchitektur einschließlich ihrer Virtualität mit Raumkonzepten der vergangenen Moderne. Herzog & de Meuron experimentieren z. B. mit VR-Trackings, um medial projektierte Innenräume zu erzeugen, und Studierende der ETH entwerfen auf Grundlage KI-generierter Bildwelten maschinenähnliche Konstruktionen, die an Archigram erinnern. Auch in der Denkmalpflege finden sich vermehrt digitale Arbeitsweisen, die mithilfe digitaler Zwillinge immersive Interventionen testen, um ohne Verlust hochwertiger Bausubstanz den Forderungen der Charta von Venedig gerecht zu werden.

Der Vortrag fokussiert digitale Architekturbildlichkeit und gliedert sich in zwei Teile. Der erste ist auf die Denkmalpflegepraxis ausgerichtet. Ausgangspunkt ist eine quasi Latour’sche Laborsituation (Immersive Design Lab ETH), in der digitale Daten Architektur simulieren. Diskutiert wird der Einsatz digitaler Medien und ihr denkmalpflegerisches Potential am Exempel der Restaurierung ausgewählter Innenräume. Teil zwei verfolgt Oliver Graus Frage nach dem Unterschied zwischen analogem und digitalem Bild weiter. Werden digitale Bilder im Architekturentwurf oder in Denkmalpflegekampagnen eingesetzt, vergrößert sich einmal mehr der Abstand des materiell erfahrbaren Objekts zu seiner Simulation. Ausgehend von Alois Riegls „Modernem Denkmalkultus“ wird im Vortrag das dem digitalen Bildraum eigene Paradox untersucht, dem zufolge sich der größere Realitätsgrad reziprok zur frappant geringeren Erfahrungsqualität verhält. Kommt in der Moderne die Fotografie dem Anliegen entgegen, mittels Reproduktion dem „Original habhaft“ (Benjamin) zu werden, so wird aktuell die digitale Simulation des allseits erwarteten „Ereignisses“ (Deleuze) mit notwendigem Quantum an Emotionen gerecht. Wir wollen diskutieren, ob es unter Berücksichtigung von Affekt und Begriff gelingt, diese digitale Bildlichkeit anhand bildwissenschaftlicher Kriterien der Architekturanalyse zugänglich zu machen.

Kurzbiografie Silke Langenberg
2006–2011 Wiss. Assistenz am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung, Departement Architektur der ETH Zürich
2012–2014 Senior Researcher am Institut für Technologie in der Architektur, Lehrstuhl für Architektur und Digitale Fabrikation, Departement Architektur der ETH Zürich
2014–2020 Ordentliche Professur für Bauen im Bestand, Denkmalpflege und Bauaufnahme an der Hochschule München
seit 2020Ordentliche Professur für Konstruktionserbe und Denkmalpflege, Institut für Denkmalpflege und Bauforschung (IDB) und Institut für Technologie in der Architektur (ITA), Departement Architektur der ETH Zürich
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Architektur und Baukonstruktion seit 1945; Theorie und Praxis der Denkmalpflege; digitale Architekturfabrikation; Konservierung von Baukonstruktionen ab 1960; Hochschulbauten und Warenhäuser 1950–1990
Publikationsauswahl
  • Bauten der Boomjahre. Architektonische Konzepte und Planungstheorien der 60er und 70er Jahre, Dortmund 2006.
  • Zur Erhaltung des nicht Haltbaren, in: Brigit Franz und Gerhard Vinken (Hgg.): Das Digitale und die Denkmalpflege. Jahrestagung 2016. Arbeitskreise Theorie und Lehre der Denkmalpflege, Heidelberg 2017, S. 46–53.
  • (mit Robin Rehm) Mensure and Module of Helmut Spieker’s Marburg Building System 1960–1970, in: Nexus Network Journal. Architecture and Mathematics 24/3 (2020), S. 339–366.
  • (mit Robin Rehm) Das Patent als Akteur technischer Innovationen. Hochschularchitektur der 1960er und 1970er Jahre, in: Kunst + Architektur 4 (2021), S. 12–21.
  • (mit Hans-Rudolf Meier) Systemimmanente Konflikte, in: Olaf Gisbertz, Mark Escherich et al. (Hgg.): Reallabor Nachkriegsmoderne. Zum Umgang mit jüngeren Denkmalen, Berlin 2023, S. 18–28.
Kurzbiografie Robin Rehm
2001–2005 Assistent am Lehrstuhl für zeitgenössische und moderne Kunst der Universität Zürich
2009–2012 Wiss. Mitarbeit am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung (IDB) der ETH Zürich
2013–2020Dozent und wiss. Mitarbeiter am Institut für Kunstgeschichte der Universität Regensburg
seit 2021Senior Researcher am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Theorie der Architektur 1650 bis heute; Geschichte der Dinge und Gebrauchsgegenstände; ästhetische Theorie; Geschichte und Theorie der Malerei 1650 bis heute
Publikationsauswahl
  • Das Bauhausgebäude in Dessau. Die ästhetischen Kategorien Zweck Form Inhalt, Berlin 2005.
  • Geometrisches Ornament und erster Stil. Bruno Tauts farbige Fassadengestaltung der Siedlung Falkenberg, in: Giacinta Jean (Hg.): La conservatione delle policromie nell’architettura del XX secolo / Conservation of Color Schemes in 20th Century Architecture, Lugano 2013, S. 140–159.
  • Der Parthenon in Rot. Sempers Farbenarchäologie, in: Uta Hassler (Hg.): Polychromie & Wissen, München 2019, S. 40–59.
  • Mensure and Module of Helmut Spieker’s Marburg Building System 1960–1970, in: Nexus Network Journal. Architecture and Mathematics 24/3 (2020), S. 339–366.
  • Signalfarbe und Megastruktur der 1970er Jahre, in: Olaf Gisbertz, Mark Escherich et al. (Hgg.): Reallabor Nachkriegsmoderne. Zum Umgang mit jüngeren Denkmalen, Berlin 2023, S. 103–120.