Sektion 10: Bilder und Architekturen als transkulturelle Aushandlungsräume
Cornelia Escher, Düsseldorf

Fotografische Stadträume als Medium des Konflikts im kolonialen Duala

Die Entstehung fotografischer Bildräume in Duala in der deutschen Kolonie Kamerun um 1900 entwickelt sich im Rahmen kolonialer Machtpolitiken und -asymmetrien. Insbesondere innerhalb der Kolonialpropaganda befeuerten fotografische Architektur- und Stadtbilder über räumliche Distanzen hinweg koloniale Herrschaftsvorstellungen. Durch die selektive Auswahl der Motive, die spätere Bildbearbeitung und die erratische oder kolonial gefärbte und auf das deutsche Publikum orientierte Beschriftung entkoppelten sich diese entstehenden architektonischen Bildwelten von ihrem Ursprungsort. Dennoch sind die medialen Räume keineswegs homogen zu denken. Vielmehr setzen sich Spaltungen und Konflikte in diesem Feld fort. Während die koloniale Bildsprache und -praxis relativ gut untersucht ist, bleibt die Präsenz und die spezifische Wirkkraft afrikanischer Akteure unterbelichtet. Für die Analyse von städtischen Konflikten und die Entstehung des Bildes eines „modernen“ Duala spielt die Tätigkeit afrikanischer Fotografen und der afrikanischen politischen Elite, die fotografische Medien und die architektonische Repräsentation im Stadtraum ebenfalls für ihre Zwecke nutzten, jedoch eine ganz entscheidende Rolle.

Der Vortrag untersucht, wie sich in fotografischen Bildpraktiken im städtischen Raum Dualas unterschiedliche und konkurrierende repräsentative Bildräume der Stadt herausbilden. In den perspektivischen Ansichten der Stadt, die sich entlang des neu angelegten Straßennetzes und an den visuellen Höhepunkten der Stadt orientieren, entsteht im Zusammenspiel von räumlich-materiellen Situationen mit den fotografischen Praktiken eine mediale Wahrnehmung des Raumes von Duala. Diese ist impulsgebend für die deutschen Planungen einer gewaltbehafteten Umgestaltung Dualas zur repräsentativen kolonialen Metropole, aber möglicherweise auch für post- oder dekoloniale Perspektiven auf den städtischen Raum.

Kurzbiografie Cornelia Escher
2001–2007 Studium der Geschichte, der Kunstgeschichte und der Französischen Philologie in Berlin und Lyon
2011–2013 Wiss. Assistentin am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, Eidgenössische Technischen Hochschule Zürich
2014–2017 Wiss. Mitarbeiterin (Postdoc) an der Leibnizpreis-Forschungsstelle „Globale Prozesse“, Universität Konstanz
seit 2017Junior-Professorin für Architekturgeschichte und -theorie an der Kunstakademie Düsseldorf
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Architekturgeschichte des 19. und 20. Jh.s; Architektur und ihre Medien; globale Architekturgeschichte; Grenzbereiche von Architektur, Kunst und Wissenschaften; Architektur und soziale Materialität
Publikationsauswahl
  • Zukunft entwerfen. Architektonische Konzepte des GEAM (Groupe d'Études d'Architecture Mobile) 1958–1963, Zürich 2017.
  • Prospective images. GEAM’s projects of a mobile utopia, in: Journal of Architecture 25/4 (2020), S. 378–395 (doi.org/10.1080/13602365.2020.1765838).
  • (Hg. mit Nina Tessa Zahner) Begegnung mit dem Materiellen. Perspektiven aus Architekturgeschichte und Soziologie, Bielefeld 2021.
  • Performing Tropicality. The Tropicana Cabaret in Havana, in: Journal of Urban History 47/5 (2021), S. 980–996 (doi.org/10.1177/0096144219893681).
  • Photographic Approaches to a Colonial Building Site. Ethnography, Architecture and the Agency of the Artifact, in: Vera Egbers, Christa Kamleithner et al. (Hgg.): Architectures of Colonialism. Constructed Histories, Conflicting Memories, Basel/Berlin (im Erscheinen).