Sektion 3: Stadtpläne und Veduten als Objekte und Mittel der kunsthistorischen Forschung
Christine Beese, Bochum / Stefano Veronese, Berlin
Im Kontext. Strategien der bildlichen Intermedialität in Duilio Torres’ Wettbewerbsbeitrag für die Umgestaltung Paduas (1933)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeitete eine Riege italienischer Architekten um Gustavo Giovannoni daran, ihren Einfluss auf dem Feld der Urbanistik auszuweiten und das neue Leitbild eines künstlerischen Städtebaus gegen eine technokratische Kultur der Ingenieurshochschulen durchzusetzen. Bewusst nutzten die Stadtbaukünstler die gängigen gattungsspezifischen Bedeutungszuschreibungen der Medien Karte, Zeichnung und Fotografie, um durch gezielte Zusammenstellung dieser Bilder semantische Übertragungen zu erreichen. Erklärtes Ziel ihrer intermedialen Repräsentationsstrategie war eine Verwissenschaftlichung des von ihnen vertretenen morphologischen Entwurfsansatzes.
In unserem Vortrag möchten wir dieses Phänomen der Intermedialität von Karte, Zeichnung und Fotografie am Beispiel einer Broschüre untersuchen, welche Duilio Torres (1882–1972) im Jahr 1933 als Wettbewerbsbeitrag für eine Umgestaltung des historischen Stadtzentrums von Padua erstellt hat. Indem wir die verschiedenen Ebenen der Repräsentation analysieren – die Darstellungsmodi und -techniken der Bilder, ihre Anordnung auf einer Seite und innerhalb der Broschüre sowie ihre sprachliche Rahmung – zeigen wir, dass die Bilder die Entwurfsphilosophie des Architekten nicht nur flankieren, sondern methodisch verkörpern sollten. Paradoxerweise, so unsere These, führt der mediengestützte Versuch einer wissenschaftlichen Verallgemeinerung baukünstlerischer Entwurfsprinzipien zu einer ästhetischen Dekontextualisierung der als ortsspezifisch angesprochenen Gebäude und Stadtbilder.
Die vorzustellende Broschüre stammt aus einem kürzlich in der Bibliothek des KHI der FU Berlin aufgefundenen Teilnachlass des Kunstkritikers Ugo Ojetti. Die Dokumente des Nachlasses werden zurzeit digitalisiert und von Studierenden für eine Online-Ausstellung aufbereitet. Unser Beitrag ermöglicht es somit nicht nur, den Mehrwert einer kunsthistorischen Analyse von Karten auszuloten, sondern lässt sich auch als Ausgangspunkt für eine Diskussion um die heuristischen Potentiale einer Übersetzung von analogem zu digitalem Bildmaterial nutzen.
Kurzbiografie Christine Beese
2001–2008 Studium der Kunstgeschichte und Neueren Geschichte in Münster, Rom, Paris und Heidelberg
2008–2011 Wiss. Mitarbeit am Lehrstuhl GTA der TU Dortmund, dort 2014 Promotion zu „Marcello Piacentini. Moderner Städtebau in Italien“
2012–2013 Promotionsstipendium des DHI Rom und der Bibliotheca Hertziana, Rom
2013–2023 Wiss. Mitarbeit am KHI der FU Berlin, Arbeitsbereich Architekturgeschichte
seit 11/2013 Juniorprofessorin (mit tenure track) für Architekturgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum sowie Forschungsgruppenleiterin der Emmy Noether Gruppe „Räume der Anschauung – Topographien des Wissens. Anatomische Theater zwischen Kunst, Natur und Wiss
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte
Italienische Architektur / Städtebau im 20. Jh.;
Räume der Wissenschaft in der FNZ
Publikationsauswahl
- Marcello Piacentini. Moderner Städtebau in Italien, Berlin 2015.
- (Hg. mit Ralph-Miklas Dobler) L’Urbanistica a Roma durante il ventennio fascista (Quaderni della Bibliotheca Hertziana 1), Rom 2019.
- From Ambiente to Urbanism. Giovannoni, Piacentini and Their Student Piccinato, in: Giuseppe Bonaccorso und Francesco Moschini (Hgg.): Gustavo Giovannoni e l'architetto integrale. Atti del Convegno internazionale Nov. 2015, Accademia Nazionale di San Luca, Rom 2019, S. 203–208.
- Wie kommen Zeit und Bewegung in den Plan? Marcello Piacentinis Entwurf zur Umgestaltung der Via Rizzoli in Bologna, in: Ulrike Boskamp, Amrei Buchholz et al. (Hgg.): Verkoppelte Räume. Karte und Bildfolge als mediales Dispositiv, München 2020, S. 199–226.
- Aspekte des Bildlichen in der Entwurfspraxis von Marcello Piacentini, in: Brigitte Sölch und Stephanie Hanke (Hgg.): Projektionen. Der Platz als Bildthema, Berlin 2020, S. 139–160.
Kurzbiografie Stefano Veronese
2016–2022 Bachelorstudium Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Europa/Amerika und Informatik in Berlin
seit 2019 Stud. Mitarbeit für das Forschungsprogramm zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
seit 2021 Masterstudium Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Europa/Amerika in Berlin
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte
Moderne Architektur in Italien;
historische Analyse von Architektur und Stadtraum;
Architekturkritik;
Geschichte des Faches Kunstgeschichte