Sektion 2: Heilserwartung – Heilswirkung. Die öffentliche Inszenierung der Bilder im Spätmittelalter
Markus T. Huber, Nürnberg

Inszenierungen des Heils um 1500. Die Reichs­stadt Nürn­berg und die bayeri­­schen Wittels­bacher im Vergleich

Nürnberg – ab 1423 Aufbewahrungsort des Reichsschatzes – verwandelte sich einmal im Jahr zur Messezeit in eine Pilgerstätte: Zum Lanzenfest wurde auf dem Hauptmarkt ein Heiltumstuhl errichtet, auf dem hohe geistliche Würdenträger die verehrungswürdigen Gegenstände wiesen. Die übrige Zeit war Nürnberg eine von Handel und Handwerk getriebene Metropole; die Heiltümer fanden sich dann in der Kirche des Heilig-Geist-Spitals verwahrt – versperrt in einem Schrein, der ins Gewölbe aufgezogen war.
Während der Nürnberger Rat bestrebt war, die Verehrung der Reichskleinodien bestmöglich mit dem Potenzial und den Eigeninteressen einer Gewerbe- und Handelsstadt zu verbinden, wählten die Fürsten im benachbarten Herzogtum Bayern eine andere Strategie: Sie lancierten Orte mit quasi immanenter Heilsaura abseits der Zentren und bauten diese gezielt zu Wallfahrtsstätten aus. Die Orte Andechs und Altötting waren untrennbar mit dem Vorhandensein von Reliquien verbunden: In Altötting hatte bereits König Karlmann im 9. Jahrhundert das erste Chorherrenstift errichtet und die Kirche mit bedeutenden Reliquien ausgestattet. In dessen Nachfolge errichtete Herzog Ludwig der Kelheimer um 1230 ein Säkularkanonikerstift, das seinem Wesen nach als Wittelsbacher Hausstift konzipiert war. Mit der ersten bayerischen Landesteilung 1255 war Altötting niederbayerisch geworden – Patronatsherr war der in Landshut residierende Fürst. In Altötting bestand wohl schon eine ältere regionale Wallfahrt, als um 1489, ausgelöst durch Wunderzeichen, der Kult schlagartig und nachhaltig aufblühte. Die Münchner Herzöge hatten indes in Andechs eine eigene Wallfahrtsstätte begründet. Den Anlass dazu bot die Auffindung des Reliquienschatzes im Jahr 1388. Herzog Ernst errichtete 1438 auch in Andechs ein Kollegiatstift in der Art eines Hausstifts. Es wurde 1455 in ein Benediktinerkloster umgewandelt und 1458 zur Abtei erhoben. Während die Nürnberger Heiltumsweisung mit der Reformation eingestellt wurde, gelang in Andechs und Altötting eine Verstetigung der Kulte. Bis heute wird in Andechs jährlich das Dreihostienfest gefeiert, Altötting gilt gar als eine der bedeutendsten Wallfahrten Deutschlands.
Im Vortrag sollen die Charakteristika und insbesondere die Unterschiede dieser drei Wallfahrten herausgearbeitet werden. Der Fokus wird auf die beteiligten Personen(gruppen), die topografischen Gegebenheiten, Infrastruktur, Gebäude und deren Ausstattung sowie die mit dem Kult verbundenen Objekte gelegt.

Kurzbiografie Markus T. Huber
2006–2012Studium der Denkmalpflege und Promotionsstudium in Bamberg
2012Promotion an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg („Die Westfassade des Regensburger Doms. Konvention und Innovation in einem spätmittelalterlichen Hüttenbetrieb“)
2012–2014Wiss. Volontariat und wiss. Mitarbeit bei den Staatlichen bayerischen Sammlungen und Museen in München: Staatliche Graphische Sammlung und Bayerisches Nationalmuseum
2015–2017Lehrer für Kunstgeschichte an den städtischen Fachschulen für das Bildhauerhandwerk sowie für Bautechnik, München
2016–2018Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der Technischen Universität München
2017–2018Gebietsreferent der praktischen Bau- und Kunstdenkmalpflege am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, München
seit 2019 Leitung der Sammlungen „Skulptur bis 1800“ sowie „Bauteile und historisches Bauwesen“ am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Architektur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit; süddeutsche Skulptur des Spätmittelalters und des 18. Jh.s; Ausstattung und liturgische Nutzung von Sakralräumen im Spätmittelalter
Publikationsauswahl
  • Die Vereinnahmung Ludwigs des Bayern durch die Nachwelt. Memoria und Repräsentation am Beispiel Münchens und der Abtei Fürstenfeld, in: Hubertus Seibert (Hg.): Ludwig der Bayer (1314–1347). Reich und Herrschaft im Wandel, Regensburg 2014, S. 495–525.
  • Die Westfassade des Regensburger Doms. Konvention und Innovation in einem spätmittelalterlichen Hüttenbetrieb (Regensburger Domstiftung 4), Regensburg 2014.
  • Erasmus Grasser als Bausachverständiger und technischer Berater. Die Projekte in Rorschach und Schwaz, in: Renate Eikelmann und Christoph Kürzeder (Hgg.): Bewegte Zeiten. Der Bildhauer Erasmus Grasser (um 1450–1518), München 2018, S. 136–145.
  • Der Regensburger Dombaumeister Matthäus Roriczer – ein Berufsleben zwischen Steinmetzhütte und Studierstube, in: INSITU. Zeitschrift für Architekturgeschichte 10/1 (2018), S. 51–64.
  • Die Stiftspfarrkirche St. Philippus und Jakobus in Altötting. Bauen und Ausstatten für einen Wallfahrtsbetrieb um 1500, in: Ars Bavarica 91 (2022), S. 6–159, mit Klapptafel.