Sektion 2: Heilserwartung – Heilswirkung. Die öffentliche Inszenierung der Bilder im Spätmittelalter
Ute Verstegen, Erlangen-Nürnberg

Jerusalem in Franken. Zum Einfluss von Heilig-Land-Erfahrungen spätmittel­al­ter­li­cher Pilger auf die bildkünstle­rische Produk­tion am Beispiel der Ölberg­dar­stel­lungen

Zwischen dem mittleren 14. und dem beginnenden 16. Jahrhundert erlebten Pilgerfahrten aus Europa ins Heilige Land einen Aufschwung, der unter anderem dadurch begünstigt wurde, dass der Franziskanerorden 1335 eine Niederlassung in Jerusalem gründete und in der Folge als Pilgerführer in Jerusalem aktiv wurde und die Aufgabe übernahm, christlichen Pilgern die verschiedenen Memorialstätten in und um die Stadt zu zeigen. Handschriftliche und gedruckte Pilgerberichte vor allem des 15. bis 18. Jahrhunderts sind wichtige Zeugnisse für das durch die franziskanischen Guides geprägte Pilgererleben im Heiligen Land. Im Zuge dieses Pilgerbooms traten auch zahlreiche Bürger aus der Reichsstadt Nürnberg eine Reise ins Heilige Land an, unter ihnen beispielsweise die Nürnberger Patrizier und Ratsherren Sebald Rieter und Hans VI. Tucher, die 1479/1480 über Venedig auf dem Schiffsweg ins Heilige Land reisten.

Mit den Informationen, die Nürnberger Pilger wie Rieter und Tucher mit zurück in ihre Heimatstadt brachten, sind auch bedeutende Zeugnisse der visuellen Kultur und künstlerischen Produktion zu verbinden. Am Beispiel der Ölbergdarstellungen zeigt der Vortrag exemplarisch auf, wie Erfahrungen aus der unmittelbaren Anschauung und dem Erleben eines Passionsorts Jesu im Heiligen Land mit Vorstellungen und Konzepten verbunden wurden, die in der bildkünstlerischen, textlichen und liturgischen Tradition der Heimatregion verankert waren und zu innovativen ikonografischen wie räumlichen Inszenierungen führten. Eine Rolle spielte dabei auch die Bezugnahme auf den reichen Reliquienschatz der Nürnberger Kirchen, zu dem auch zahlreiche Herrenreliquien zählten.

Kurzbiografie Ute Verstegen
2013Habilitation an der Philosophischen Fakultät mit Fachbereich Theologie der FAU Erlangen-Nürnberg („Heiliger Ort – sakraler Raum. Kontinuität und Wandel in der Inszenierung der Herrenorte in Jerusalem“)
2013–2016Professur für Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte an der Philipps-Universität Marburg
seit 2016Inhaberin des Lehrstuhls für Christliche Archäologie der FAU Erlangen-Nürnberg
seit 2022Studiendekanin des Fachbereichs Theologie für die Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Archäologie, Architektur und visuelle Kultur des Frühchristentums; religiöse Architektur in Spätantike und Mittelalter, Raum und Liturgie; materielle Kultur des frühen Christentums entlang der Seidenstraßen; Untersuchung transkultureller Prozesse; Visual Digital Humanities
Publikationsauswahl
  • Die architektonische Inszenierung der christlichen Erinnerungsorte im Heiligen Land – Architektursemantische Betrachtungen zu einem konstantinischen Innovationskonzept, in: INSITU. Zeitschrift für Architekturgeschichte 7/2 (2015), S. 151–170.
  • In Kontakt mit dem Allerheiligsten. Zur frühchristlichen Inszenierung der Heilsorte in der Jerusalemer Grabeskirche, in: Elke Koch und Heike Schlie (Hgg.): Orte der Imagination – Räume des Affekts. Die mediale Formierung des Sakralen, Paderborn 2016, S. 31–54.
  • Jerusalem – Visual Arts, in: Encyclopedia of the Bible and its Reception 13, Berlin/Boston 2016, Sp. 1078–1087.
  • How to Share a Sacred Place – The Parallel Christian and Muslim Usage of the Major Christian Holy Sites at Jerusalem and Bethlehem, in: Zachary Chitwood und Johannes Pahlitzsch (Hgg.): Ambassadors, Artists, Theologians, Mainz 2019, S. 29–44.
  • Die christliche Sakralisierung Jerusalems von Konstantin bis Heraklios, in: Katharina Heyden und Maria Lissek (Hgg.): Jerusalem II. Jerusalem in Roman-Byzantine Times (COMES 5), Tübingen 2021, S. 91–115.