Sektion 2: Zur Relation von Form und Technik in den druckgrafischen Verfahren der Frühen Neuzeit
Samstag, 26. März 2022, 17:00–17:30 Uhr, K2, Hörsaal 17.02
Rebecca Partikel, Marburg

Missverständlich, unförmig oder an der falschen Stelle – wie Semantik, Pragmatik und Arbeitsteilung den Formungsprozess beeinflussen

Wie veränderten semantische und rein pragmatische Überlegungen die Ausformung eines Titelkupferstiches? Trug womöglich eine Arbeitsteilung bei der Herstellung dazu bei, Fehler des Kupferstechers zu vermeiden? Wer stach was und welche Rolle kam dem Autor dabei zu?
Um Überlegungen zu diesen Fragen anzustellen, soll ein Blick in ein Schreiben von 1657 geworfen werden. Der Danziger Astronom Johannes Hevelius (1611–1687) erteilte darin dem Kupferstecher Jeremias Falck, sechzehn Jahre vor Erscheinen seines Instrumentenbuches „Machina Coelestis“ (1673/1679), genaue Anweisungen zur Gestaltung des Titelkupferstiches. In dem Schreiben wurden zahlreiche Formfragen diskutiert, moniert und adressiert. So gibt es klare Anweisungen, an welchen Stellen Falck die damals wohl beiliegende Vorzeichnung Adolf Boys verändern müsse, welche Gestaltungselemente er sich selbst besorgen und was er hinzufügen oder verändern solle. Hevelius beklagte u. a. Strahlen über einem Gebäude in der Zeichnung, die das gesamte Werk „verderben und verunziehren“ (Hevelius an Falck 1657, fol. 2r, Bibliothèque de l’Observatoire de Paris, C1/4-38) könnten, verstehe man diese fälschlicherweise als Regenschauer. Da dem Gebäude wohl auch eine spezifische Bedeutung im Kontext des Titelkupferstiches zukam, wäre durch dieses Gestaltungselement ein missverständlicher Inhalt vermittelt worden. Gleichzeitig bot Hevelius an, nicht nur die Namen von Zeichner und Kupferstecher, sondern auch die gesamte Schrift sowie die Skala des abgebildeten Instruments selbst zu stechen. In diesem Zusammenhang bat Hevelius Falck ebenso, Schraffuren dort wegzulassen, wo er Schrift hinzufügen wollte und Figuren in ihrer Gestaltung so umzuformen, dass die geplante Schrift an den gewünschten Ort passte. Hieran wird u. a. deutlich, dass Hevelius bestimmte Elemente lieber selbst darstellen wollte, womöglich um Fehler bei Objekten, die dem Kupferstecher nicht geläufig waren, zu vermeiden.
Ausführlich möchte ich Hevelius’ Schreiben als Fallbeispiel in meinem Vortrag vorstellen, aus dem deutlich wird, wie semantische und pragmatische Überlegungen sowie Arbeitsteilung die Form eines vom Autor direkt beauftragten Titelkupferstichs veränderten.
Kurzbiografie Rebecca Partikel
2010–2013Studium „Kunst, Musik und Medien: Organisation und Vermittlung“ in Marburg (Bachelorarbeit: „Das Monumentum Sepulcrale für Landgraf Moritz v. Hessen. Funeralschriften als Teil der künstlerischen Funeralrepräsentation“)
2013–2016Studium der Kunstgeschichte in Marburg (Masterarbeit: „Die Titelkupferstiche der astronomischen Veröffentlichungen des Johannes Hevelius (1611–1687)“)
2014–2017Stud., später wiss. Hilfskraft im SFB/TRR 138 „Dynamiken der Sicherheit“, Teilprojekt „Haus und Straßenraum. Konstruktion und Repräsentation von Sicherheit in der Stadt“ an der Philipps-Universität Marburg
seit 2017Doktorandin am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Marburg (Arbeitstitel: „Für das Buch und über das Buch hinaus: Visueller Bestand in astronomischen Veröffentlichungen der Frühen Neuzeit am Bsp. d. Johannes Hevelius (1611–87)“)
2018–2021Wiss. Mitarbeiterin in einem Auktionshaus, Schwerpunkt Druckgrafik
2020Herzog-Ernst-Stipendiatin am Forschungszentrum Gotha und der Forschungsbibliothek Gotha; Fellow am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschafts- und Technikforschung (IZWT) der Bergischen Universität Wuppertal
2020–2021Lehrauftrag am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Marburg (Projektseminar zum Thema Druckgrafik)
2021Promotionsstipendiatin an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
2021Wiss. Mitarbeiterin in Vertretung am SFB/TRR138 „Dynamiken der Sicherheit“, Teilprojekt „Architektonisch und bildmedial verfasste Sicherheitskonzeptionen: Stadtrand“ an der Universität Marburg
seit 2021Promotionsstipendiatin am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) in Mainz
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Druckgrafik der Frühen Neuzeit; Buchgeschichte; Geschichte der Naturwissenschaften; druckgrafische Techniken