Sektion 7: Textile Inszenierungen und Raumdramaturgien
Franciska Nowel Camino, Dresden

Unübersehbar. Die Präsenz archäo­lo­gi­scher Textilien in Cecilia Vicuñas Raum­instal­lationen

Die chilenische Künstlerin Cecilia Vicuña kombiniert in vielen ihrer Rauminstallationen eigene Textilarbeiten mit archäologischen Artefakten. Dabei führt sie andine Textiltraditionen wie etwa die Knotentechnik der Quipus fort, skaliert sie allerdings für institutionelle Ausstellungsräumen neu: Die andinen Textiltechniken werden in meterhohe, raumgreifende Dimensionen vergrößert und so zu einem unübersehbaren Teil der transkulturellen Kunstgeschichte.
Vicuña bewegt sich mit ihrem Vorgehen und Selbstverständnis innerhalb postkolonialer Diskurse, bedient sich stereotyper Vorstellungen und entzieht sich gleichsam Klischees. Vor diesem Hintergrund bilden Konzepte, Techniken, Ästhetiken und historische Kontexte, die sich mit westlichen Diskursen und Begrifflichkeiten nicht greifen lassen, den epistemologischen Rahmen meines Vortrags. Im Hinblick auf kuratorische sowie historiografische Praktiken analysiere ich das Zusammenwirken von Textil, Zeit und (institutionellem) Raum aus einer transkulturellen Perspektive. Ein zentraler Punkt meiner Analyse ist die gängige kuratorische Praxis, zeitgenössische – insbesondere lateinamerikanische – Textilkunst nicht autonom, sondern in einem vermeintlich präkolonialen Kontext zu zeigen, wodurch mystifizierende, exotisierende und naturalisierende Narrative (re-)produziert werden. Dabei frage ich: Welche temporalen oder diskursiven Räume eröffnen sich zwischen den historischen Artefakten und der Gegenwartskunst? Welche Problematiken, etwa der Stereotypisierung, birgt die Zusammenstellung? Aber auch: Welches Potenzial bietet Vicuñas zeitübergreifendes und raumeinnehmendes Konzept für die Kunstgeschichtsschreibung?

Kurzbiografie Franciska Nowel Camino
2013–2019Studium der Kunstgeschichte und Romanistik in Frankfurt a. M.
2016–2019Stud. Mitarbeit bei der Digitalen Sammlung des Städel Museums
2017–2019 Stud. Hilfskraft am Masterstudiengang Curatorial Studies an der Städelschule und Goethe-Universität Frankfurt a. M.
2017–2020Kunstvermittlerin an der Kunststiftung Opelvillen, Rüsselsheim und am Deutschen Ledermuseum, Offenbach
2019Reisestipendium gefördert durch Promos und DAAD; Forschungsreise nach Peru im Rahmen der Masterarbeit
2019–2020Wiss. Mitarbeit in der Graphischen Sammlung des Städel Museums
seit 2020Promotionsstudium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
seit 2020Wiss. Mitarbeit im Lehrgebiet Kunstgeschichte und -theorie der Moderne und Gegenwart, Hochschule für Bildende Künste Dresden
2022Teilnahme an der Transregional Academy in Latin American Art IV Plural Temporalities: Theories and Practices of Time, Bogotá
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Transkulturelle Kunstgeschichte; postkoloniale Theorien; Textilkunst; Gegenwartskunst aus Lateinamerika; Theorie und Geschichte von Zeitkonzepten und Temporalitäten
Publikationsauswahl
  • (After) The Inca Experience: Textile Zeugnisse der Gegenwartskunst, in: Miriam Österreich und Franziska Neff (Hgg.): Bodies/Fashion in the Américas. Special issue Miradas – Journal for the Arts and Culture of the Américas and the Iberian Peninsula 5/6 (2022), S. 137–156.
  • Taktile und intertextile Erfahrungen. Cecilia Vicuñas Performance Living Quipu (2018), in: Kristin Marek und Carolin Meister (Hgg.): Berührung. Taktiles in Kunst und Theorie, München 2022, S. 181–197.
  • Fermentierte Gegenwart. Ximena Garrido-Lecca im Portikus Frankfurt, in: Portikus Journal 2023 (https://www.portikus.de/en/journal/fermented_present).
  • Disrupting colonial chronology. Quipus in the artistic practice of Jorge Eduardo Eielson and Cecilia Vicuña, in: 35th CIHA World Congress São Paulo (Hg.): Motion: Migration, São Paulo 2023 (im Erscheinen).
  • (Hg. mit Angela Matyssek) Wann fängt Kunst an? Das variable ,Frühwerk‘ in der Gegenwartskunst (2024, in Vorbereitung).