Sektion 4: Space – Museum – Gender. Materielle und immaterielle Manifestationen von (Kunst-)Sammlerinnen (1750–2024)
Andrea Mayr, Wien

„wie sie nicht oft in Privat- besonders Frauen­händen anzutreffen sein dürfte (…)“ – Zu einer weib­lichen Samm­lungs­praxis von Münzen und Medaillen im 19. Jahr­hundert in Wien

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und insbesondere mit dem auf antike Münzen spezialisierten Jesuitenpater Joseph Eckhel entwickelte sich in Wien die Numismatik neben der Archäologie zu einer führenden Wissenschaft. Sie bezeugte die Führungsrolle des Fürsten, der sich damit als Gelehrter und Kunstfreund repräsentierte. Gerade in der Barockzeit gelangte neben den Münzen die Medaillenkunst zu eminenter Bedeutung, da sie die Kombination von Historiografie und künstlerischer Repräsentation ermöglichte. Die vorwiegend von Adel, Klerus und Gelehrten betriebene Sammelleidenschaft wurde zudem auch in größeren Publikationen greifbar und damit einem erweiterten Adressatenkreis zugänglich. Das Anlegen einer Sammlung war nun nicht mehr nur dem Herrscher vorbehalten, sondern führte zur Entstehung von privaten Sammlungen und numismatischen Netzwerken.

Innerhalb der von Joseph Bergmann 1863 erfassten Anzahl von 38 Münz- und Medaillensammlungen in Wien tauchen lediglich fünf Frauen als Sammlerinnen auf: Erzherzogin Maria Anna von Österreich, Theresia de Roux, Maria Anna Spöttl, Johanna Dickmann-Secherau und Caroline Höfel. Erstere konnte schon aufgrund ihrer fürstlichen Erziehung auf ein Gelehrtennetzwerk zurückgreifen. Dickmann-Secherau kam durch salonähnliche Treffen eines industriell-bürgerlich geprägten Umfelds in ihrer Privatsammlung mit zahlreichen Kennern der Numismatik in Verbindung. Über Caroline Höfel ist bekannt, dass sie eine eigene große Sammlung antiker Münzen aufbaute und ein gesteigertes Interesse an der Numismatik hatte.

An diesem Punkt knüpft der Vortrag an und fragt nach der Rolle weiblicher Sammlerinnen, ihren sozialen Räumen und Netzwerken sowie finanziellen, sozialen, rechtlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen. Basierend auf Quellen- und Archivforschungen sollen die Biografien der fünf Sammlerinnen exemplarisch vorgestellt werden. Nicht zuletzt das Wirken weiblicher Personen wurde in den dazu unternommenen Forschungen bis dato kaum berücksichtigt und ist im Hinblick auf eine Geschichte der Numismatik in Österreich unbedingt erforderlich.

Kurzbiografie Andrea Mayr
2007–2012Studium der Kunstgeschichte in Wien (Diplomarbeit: „Joseph Daniel Böhm (1794–1865). Graveur, Bildhauer, Kammermedailleur und Kunstsammler in Wien“)
2014–2016Projektmitarbeit im OeNB-geförderten Projekt „Scholar’s Monuments. Ikonographie und Stellenwert der Denkmäler der Universität Wien“
2016–2019Wiss. Mitarbeit im Münzkabinett, Kunsthistorisches Museum Wien; Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Dissertationsprojekt „Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) und die Medaille“
2020–2021Projektmitarbeit im OeNB-geförderten Projekt „Recht auf Museum? Eine österreichische Studie zu Öffentlichkeitskonzepten von Museen und deren Wahrnehmung“, Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, Labor für empirische Bildwissenschaft
seit 2021Kuratorin Neuzeit, Münzkabinett, Kunsthistorisches Museum Wien
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Numismatik; Kunst des 19. Jh.s; Cultural Studies; Austrian Studies; Art History und Visual Representation
Publikationsauswahl
  • Das Porträtmedaillon als Form des Gelehrtendenkmals im Arkadenhof der Universität Wien, in: Ingeborg Schemper-Sparholz, Martin Engel et al. (Hgg.): Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa (Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 63/64), Wien 2017, S. 71–87.
  • Innerösterreich seinen Gewerben. Preismedaillen der Innerösterreichischen Industrie- und Gewerbeausstellungen im Vormärz, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Landeskunde und Denkmalpflege Oberösterreich 163 (2018), S. 187–219.
  • Rudolf von Eitelberger und Joseph Daniel Böhm. Zur Frühzeit der Kunstgeschichte in Wien, in: Eva Kernbauer, Kathrin Pokorny-Nagel et al.: Rudolf Eitelberger von Edelberg. Netzwerker der Kunstwelt, Wien 2019, S. 49–69.
  • Picturing Empress Maria Anna of Savoy-Sardinia on Medals in the First Half of the 19th Century, in: Marion Romberg (Hg.): Empresses and Queens in the Courtly Public Sphere from the 17th to the 20th Century, Leiden/Boston 2021, S. 159–189.
  • Die Medaillen und Schaumünzen der Kaiser und Könige aus dem Haus Habsburg im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien, Bd. 11: Ferdinand I. (Kaiser 1835–1848, † 1875) (Kunsthistorisches Museum Wien, Münzkabinett, Kataloge der Medaillensammlung 3), Wien 2023.