Impulsvorträge
Susanne Leeb, Lüneburg
Michael Falser, München/Heidelberg
Gemeinsame Diskussion
mit Inés de Castro, Stuttgart
Der Begriff der Form greift auf die aristotelische Unterscheidung von Form und Materie zurück und ist damit stark in der westlichen Geistestradition verankert. In der sich ausbildenden Disziplin der Kunstgeschichte diente der Formbegriff dazu, ihren Gegenstandsbereich abzugrenzen, ihn zu charakterisieren und ihn zu definieren. Mit dieser Eingrenzung war zugleich eine Ausgrenzung von Objekten verbunden, die als außerkünstlerisch betrachtet wurden. Noch heute zeigen sich die Auswirkungen dieser disziplinären Grenzziehungen im Namen der Form. So trägt der Formbegriff wesentlich zum Selbstverständnis des Faches bei und besitzt eine erhebliche Relevanz für die Ordnungen der Dinge, für ihre Präsentation und Behandlung in den Institutionen und in der Öffentlichkeit.
Angesichts der Herausforderungen einer längst global denkenden und handelnden Kunst stellt sich die Frage nach dem Anspruch und der Reichweite eines solch westlich geprägten Formbegriffs. Die Plenumsveranstaltung greift diese Frage aus der Perspektive einer globalen Kunst auf. Sie analysiert die dem Formbegriff zugrundeliegenden normativen Strukturen in Hinblick auf ihren Geltungsanspruch und damit verbundene Grenzziehungen und betrachtet die Konsequenzen für Objekte aus anderen kulturellen Zusammenhängen. Der Blick soll hierbei ebenso auf kulturelle Zuschreibungsprozesse gerichtet werden wie auf die Wirkweise der Objekte in transkulturellen Kontexten, wobei gefragt werden soll, wie diese Perspektiven die kritische Debatte zu „FORM FRAGEN“ herausfordern und bereichern können.
In ihrem Kurzbeitrag kontrastiert Susanne Leeb Alois Riegls Konzept der Form mit den wenig später durch Carl Einstein und Lu Märten entwickelten Formbegriffen, die sie alle mit Blick auf außereuropäische Objekte konturierten. Sie analysiert den universalistischen Geltungsanspruch des gleichermaßen ausgreifenden wie vereinnahmenden Zugriffs Riegls und befragt das Potential des dynamischen Formbegriffs von Märten für ein aktuelles Verständnis von Form – unter Diskussion der Begrenztheit des Begriffs der Form im Rahmen einer transkulturellen Kunstgeschichte.
Mit seinem Kurzbeitrag „Von Kolonien und Konzessionen – from history to heritage? Form Fragen an eine Globale Architekturgeschichte“ kommentiert Michael Falser mit Einblicken in seine Forschung zu Entstehung und Nachleben deutscher Kolonien und Konzessionen in China seine doppelte Agenda, den Prozess architektonischer Globalisierung zu historisieren und gleichzeitig aus unserer zeitgenössischen Perspektive heraus zu aktualisieren.
Für die gemeinsame Podiumsdiskussion ergänzt die Direktorin des Lindenmuseums Stuttgart, Inés de Castro, die Fragestellung um die Perspektive des musealen Umgangs mit Objekten und den Kulturen, die sie geschaffen haben.