Donnerstag, 24. März 2022, 11:30–13:00 Uhr, K2, Hörsäle 17.01 & 17.02

FORM FRAGEN

Formen in globaler Perspektive

Moderation: Kerstin Thomas, Stuttgart

Impulsvorträge
Susanne Leeb, Lüneburg
Michael Falser, München/Heidelberg

Gemeinsame Diskussion
mit Inés de Castro, Stuttgart

Der Begriff der Form greift auf die aristotelische Unterscheidung von Form und Materie zurück und ist damit stark in der westlichen Geistestradition verankert. In der sich aus­bildenden Disziplin der Kunstgeschichte diente der Formbegriff dazu, ihren Gegenstands­bereich abzugrenzen, ihn zu charakterisieren und ihn zu defi­nie­ren. Mit dieser Eingrenzung war zugleich eine Ausgrenzung von Objekten ver­bun­den, die als außer­künstlerisch betrachtet wurden. Noch heute zeigen sich die Auswirkungen dieser disziplinären Grenz­ziehungen im Namen der Form. So trägt der Formbegriff wesentlich zum Selbst­verständnis des Faches bei und besitzt eine erhebliche Relevanz für die Ordnungen der Dinge, für ihre Präsentation und Behand­lung in den Institutionen und in der Öffentlichkeit.

Angesichts der Heraus­forderungen einer längst global denkenden und handelnden Kunst stellt sich die Frage nach dem Anspruch und der Reichweite eines solch westlich geprägten Formbegriffs. Die Plenums­veranstaltung greift diese Frage aus der Perspektive einer globalen Kunst auf. Sie analysiert die dem Formbegriff zu­grun­de­liegen­den normativen Strukturen in Hinblick auf ihren Geltungsanspruch und damit verbundene Grenz­ziehungen und betrachtet die Konsequenzen für Objekte aus anderen kul­turel­len Zusammen­hängen. Der Blick soll hierbei ebenso auf kul­turel­le Zuschrei­bungs­pro­zesse gerichtet werden wie auf die Wirkweise der Objekte in transkulturellen Kontexten, wobei gefragt werden soll, wie diese Perspektiven die kritische Debatte zu „FORM FRAGEN“ herausfordern und be­rei­chern können.

In ihrem Kurzbeitrag kontrastiert Susanne Leeb Alois Riegls Konzept der Form mit den wenig später durch Carl Einstein und Lu Märten entwickelten Formbegriffen, die sie alle mit Blick auf außereuropäische Objekte konturierten. Sie analysiert den universa­listi­schen Gel­tungs­an­spruch des gleichermaßen ausgreifenden wie verein­nahmen­den Zugriffs Riegls und befragt das Potential des dynami­schen Form­begriffs von Märten für ein aktuelles Ver­ständnis von Form – unter Diskussion der Begrenz­theit des Begriffs der Form im Rahmen einer trans­kulturellen Kunst­ge­schichte.

Mit seinem Kurzbeitrag „Von Kolonien und Konzessionen – from history to heritage? Form Fragen an eine Globale Architektur­geschichte“ kommentiert Michael Falser mit Einblicken in seine Forschung zu Entstehung und Nachleben deutscher Kolonien und Konzessionen in China seine doppelte Agenda, den Prozess architektonischer Globalisierung zu historisieren und gleichzeitig aus unserer zeit­genössischen Perspektive heraus zu aktualisieren.

Für die gemeinsame Podiumsdiskussion ergänzt die Direktorin des Linden­muse­ums Stutt­gart, Inés de Castro, die Fragestellung um die Perspektive des musealen Umgangs mit Objekten und den Kulturen, die sie geschaffen haben.

Kurzbiografie Kerstin Thomas
bis 2001Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Klassischen Archäologie in Frankfurt am Main
2002–2004Stipendiatin im Graduiertenkolleg „Psychische Energien Bildender Kunst“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
2004–2005 Stipendiatin am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris
2006Promotion an der Goethe-Universität Frankfurt am Main („Stimmung als malerische Weltaneignung. Puvis de Chavannes, Seurat, Gauguin“)
2006–2009Wiss. Assistentin am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris
2010–2017Leitung der Emmy Noether-Forschungsgruppe „Form und Emotion“
seit 2016Professorin für Kunst der Moderne an der Universität Stuttgart
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Französische Kunst und Kunsttheorie von der Aufklärung bis ins 20. Jh.; kunstgeschichtliche Emotionsforschung; Ästhetik und Kunstwissenschaft im 20. Jh.; Ausdruckskonzepte in Kunst, Wissenschaft und Ästhetik vom 18. bis 20. Jh.
Publikationsauswahl
  • Welt und Stimmung bei Puvis de Chavannes, Seurat und Gauguin (Passagen/Passages 32), Berlin/München 2010.
  • (Hg.) Stimmung. Ästhetische Theorie und künstlerische Praxis (Passagen/Passages 33), Berlin/München 2010.
  • (Hg. mit Aron Vinegar) Matters of Fact, Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 60/1 (2015); darin: The Still Life of Objects: Heidegger, Schapiro, and Derrida reconsidered, S. 81–102.
  • Emotion und Ausdruck. Zur emotionalen Wirkung von Bild und Malerei, in: Hermann Kappelhoff et al. (Hgg.): Emotionen. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin 2019, S. 433–438.
  • Division und Kondensation: Pissarros Suche nach der modernen Synthese, in: Christophe Duvivier und Josef Helfenstein (Hgg.): Pissarro – Das Atelier der Moderne, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, München/London/New York 2021, S. 84–97.