Respondent: Gerhard Wolf, Florenz
Immersive Settings haben derzeit Hochkonjunktur – von den Lichträumen eines James Turrell bis hin zu kommerzialisierten Ausstellungsevents, die ein „Eintauchen“ in die Kunst Vincent van Goghs oder Frida Kahlos versprechen. Die Ursprünge solcher Bild-Raum-Ensembles reichen letztlich weit zurück. Die suggestive Kraft von Höhleninszenierungen, die bereits Platons Höhlengleichnis zugrunde lag, brachte eine Fülle profaner „Kunst-Höhlen“ hervor, z. B. die künstlichen Grotten der Renaissance und des Barock. Darüber hinaus besitzen Höhlen einen festen Platz in religiösen Kulten.
Die Faszination durch Höhlen kann als kulturen- und epochenübergreifende anthropologische Konstante angesehen werden. Ziel der Sektion ist es, durch die Zusammenführung von Fallstudien aus verschiedenen Kulturkreisen Denkanstöße für eine transkulturelle Bild-Raum-Wissenschaft zu geben. Das Zusammenspiel von natürlichen und/oder künstlichen Höhlenräumen mit deren bildkünstlerischer Ausstattung wird nach den jeweiligen Wirkungsweisen, Rezeptionsmechanismen und performativen Nutzungen befragt.
Die Sektion beginnt mit einer Untersuchung der im 5.–10. Jahrhundert figurativ ausgestalteten buddhistischen Höhlen der Kuča-Region in China (Kienzler). Es folgt eine Auseinandersetzung mit der höhlenartigen Einbettung der Grablegungsgruppe in St. Getreu in Bamberg, wobei komplexe Bezüge zwischen Jerusalem, Conques und Bamberg hergestellt wurden (Abe). Danach werden profane Grottenarchitekturen für Eliten in Gärten des 18. Jahrhunderts betrachtet (Oleńska). Schließlich wird die Grotte als Archiv anhand einer Arbeit Thomas Demands behandelt, die die wechselnden kulturellen, sozialen und ästhetischen Dimensionen von Grotten im Laufe der Jahrhunderte thematisiert (Streitberger).
Durch die Einbeziehung natürlicher Gegebenheiten stellen Höhlenräume einen besonders interessanten Sonderfall von Bild-Raum-Ensembles dar, der zur Reflexion kulturenübergreifender Konstanten sowie des Verhältnisses von Kunst und Natur anregt.