Höhlen, Grotten und immersive Räume. Ansätze zu einer transkulturellen Bild-Raum-Wissenschaft

Leitung: Christina Strunck, Erlangen-Nürnberg / Ines Konczak-Nagel, Leipzig

Respondent: Gerhard Wolf, Florenz

Immersive Settings haben derzeit Hochkonjunktur – von den Lichträumen eines James Turrell bis hin zu kommerzialisierten Ausstellungsevents, die ein „Eintauchen“ in die Kunst Vincent van Goghs oder Frida Kahlos versprechen. Die Ursprünge solcher Bild-Raum-Ensembles reichen letztlich weit zurück. Die suggestive Kraft von Höhleninszenierungen, die bereits Platons Höhlengleichnis zugrunde lag, brachte eine Fülle profaner „Kunst-Höhlen“ hervor, z. B. die künstlichen Grotten der Renaissance und des Barock. Darüber hinaus besitzen Höhlen einen festen Platz in religiösen Kulten.

Die Faszination durch Höhlen kann als kulturen- und epochenübergreifende anthropologische Konstante angesehen werden. Ziel der Sektion ist es, durch die Zusammenführung von Fallstudien aus verschiedenen Kulturkreisen Denkanstöße für eine transkulturelle Bild-Raum-Wissenschaft zu geben. Das Zusammenspiel von natürlichen und/oder künstlichen Höhlenräumen mit deren bildkünstlerischer Ausstattung wird nach den jeweiligen Wirkungsweisen, Rezeptionsmechanismen und performativen Nutzungen befragt.

Die Sektion beginnt mit einer Untersuchung der im 5.–10. Jahrhundert figurativ ausgestalteten buddhistischen Höhlen der Kuča-Region in China (Kienzler). Es folgt eine Auseinandersetzung mit der höhlenartigen Einbettung der Grablegungsgruppe in St. Getreu in Bamberg, wobei komplexe Bezüge zwischen Jerusalem, Conques und Bamberg hergestellt wurden (Abe). Danach werden profane Grottenarchitekturen für Eliten in Gärten des 18. Jahrhunderts betrachtet (Oleńska). Schließlich wird die Grotte als Archiv anhand einer Arbeit Thomas Demands behandelt, die die wechselnden kulturellen, sozialen und ästhetischen Dimensionen von Grotten im Laufe der Jahrhunderte thematisiert (Streitberger).

Durch die Einbeziehung natürlicher Gegebenheiten stellen Höhlenräume einen besonders interessanten Sonderfall von Bild-Raum-Ensembles dar, der zur Reflexion kulturenübergreifender Konstanten sowie des Verhältnisses von Kunst und Natur anregt.

 

 

Kurzbiografie Ines Konczak-Nagel
1994–2002Studium der Indischen Kunstgeschichte, Indischen Philologie und Soziologie in Berlin
2003–2004Volontariat im Museum für Indische Kunst, Berlin
2008–2011Promotionsstipendium des Graduiertenkollegs „Formen von Prestige in Kulturen des Altertums“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München
2012Promotion in Buddhismusstudien an der Ludwig-Maximilians-Universität München („Praṇidhi-Darstellungen an der Nördlichen Seidenstraße: Das Bildmotiv der Prophezeiung der Buddhaschaft Śākyamunis in den Malereien Xinjiangs“)
2012–2013Wiss. Mitarbeit am Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig
2014–2015Postdoc-Stipendium am Kunsthistorischen Institut in Florenz / Max-Planck-Institut im Forschungsprojekt „Connecting Art Histories in the Museum“
seit 2016Wiss. Mitarbeit im Forschungsprojekt „Wissenschaftliche Bearbeitung der buddhistischen Höhlenmalereien in der Kuča-Region der nördlichen Seidenstraße“ an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Buddhistische Kunst und Architektur an der nördlichen Seidenstraße; Kulturaustausch zwischen den Regionen entlang der Seidenstraße im 3.–14. Jh.
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Lilla Russell-Smith) The Ruins of Kocho: Traces of Wooden Architecture on the Ancient Silk Road. Published on the Occasion of the Exhibition „The Ruins of Kocho: Traces of Wooden Architecture on the Ancient Silk Road“ in the Museum für Asiatische Kunst, Berlin 2017.
  • The Headdress of Mythological Female Figures in the Buddhist Mural Paintings of the Tocharian Kingdom of Kucha (5th to 7th century), in: Li Aojun 李傲君 und Zhang Huiqin 张慧琴 (Hgg.), 一带一路: 服饰·语言·文化·艺术探索 [One Belt One Road: Investigation into Costume, Languages, Cultures and Arts], Beijing 2018, S. 27–40.
  • Painted Buddhist Cosmology: The Pictorial Programme of Central Pillar Caves in Kizil, in: Eli Franco und Monika Zin (Hgg.): Essays and Studies in the Art of Kucha (Leipzig Kucha Studies 1), New Delhi 2020, S. 1–10.
  • Representations of Architecture and Architectural Elements, in: Eli Franco und Monika Zin (Hgg.), Essays and Studies in the Art of Kucha (Leipzig Kucha Studies 1), New Delhi 2020, S. 11–106.
  • Representations of Series of Large Buddha Figures in the Buddhist Caves of Kuča: Reflections on Their Origin and Meaning, in: Yukiyo Kasai und Henrik H. Sørensen (Hgg.): Buddhism in Central Asia II: Practice and Rituals, Visual and Material Transfer, Leiden 2022, S. 68–96.
Kurzbiografie Christina Strunck
1989–1994Magisterstudium der Kunstgeschichte, der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie der Theaterwissenschaft in Mainz, Cambridge und Berlin als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes
1995–1999Forschungsaufenthalt in Rom, gefördert durch Stipendien des DAAD, des Landes Berlin und der Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom
1999–2001Dozentin (lecturer) für Kunstgeschichte an der University of York
2001Promotion an der FU Berlin („Berninis unbekanntes Meisterwerk: Architektur und Programm der Galleria Colonna in Rom“), ausgezeichnet 2002 mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft
2002–2006Wiss. Assistenz an der Bibliotheca Hertziana, Rom; Leitung des DFG-Netzwerks MEFISTO (2005–2008)
2006–2009Fortbildungsstipendium der Max-Planck-Gesellschaft (Forschungsaufenthalte in Nancy, Florenz und Paris); Postdoc-Stipendien Villa I Tatti (The Harvard University Center for Italian Renaissance Studies), KHI Florenz und Getty Research Institute (LA)
2009–2014Wiss. Mitarbeit am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg; Habilitation 2014 („Christiane von Lothringen am Hof der Medici: Geschlechterdiskurs und Kulturtransfer“)
seit 2015Inhaberin des Lehrstuhls für Kunstgeschichte und Vorstand des Instituts für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
2018Gastprofessuren an der University of Cambridge (GB) und an der Yunnan Arts University (Kunming, China); Leitung des Forschungskollegs „Modellierung von Kulturgeschichte am Beispiel des Germanischen Nationalmuseums“ (2018–2023, Förderung VW-Stiftung)
seit 2018Leitung des DFG-Projekts „Kunst und Krise: Transnationale und interkonfessionelle Übersetzungsprozesse in Bildkünsten und Architektur in Großbritannien (1603–1750)“ innerhalb des DFG-Schwerpunktprogramms „Übersetzungskulturen der FNZ“
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Italienische, französische und britische Kunst & Architektur der Frühen Neuzeit; Bild-Raum-Wissenschaft; kulturelle Übersetzungsprozesse; Bildpolitik von Regentinnen und Hofkünstlerinnen; Galeriebauten und historische Ausstellungskonzepte
Publikationsauswahl
  • Berninis unbekanntes Meisterwerk. Die Galleria Colonna in Rom und die Kunstpatronage des römischen Uradels (Römische Studien der Bibliotheca Hertziana 20), München 2007.
  • Christiane von Lothringen am Hof der Medici. Geschlechterdiskurs und Kulturtransfer zwischen Florenz, Frankreich und Lothringen, 1589–1636, Petersberg 2017.
  • (Hg.) Faith, Politics and the Arts. Early Modern Transfer Between Catholic and Protestant Cultures, Wiesbaden 2019.
  • Britain and the Continent, 1660–1727. Political Crisis and Conflict Resolution in Mural Paintings at Windsor, Chelsea, Chatsworth, Hampton Court and Greenwich, Berlin/Boston 2021.
  • (Hg.) Bild-Raum-Wissenschaft. Studies on Spatially Embedded Art, Berlin 2024.