Pariser Stadt-Bild-Raum-Geschichten

Leitung: Christine Tauber, München / Salvatore Pisani, Mainz

Die Neugestaltung des Pariser Stadtbildes vollzog sich nach der Französischen Revolution einerseits in einem ständigen Alternieren von Revolutionen und Restaurationen, andererseits im Zeichen eines konstanten Um- und Ausbaus des urbanen und infrastrukturellen Raums. Aus der Genese des öffentlichen Raums resultierte die Notwendigkeit, diesen den jeweiligen politischen Legitimationsabsichten entsprechend mit neuen Zeichen, Monumenten und repräsentativen Raumensembles zu markieren. Hierfür beseitigte der Revolutionsvandalismus zuerst die Zeichen des Ancien Régime. Die Französische Revolution nahm dann auf dieser tabula rasa eine flächendeckende „Neuordnung der Dinge“ vor. Diese Initiativen der Neumodellierung des öffentlichen Raums sowie der Neugründung von Institutionen zur Pflege des nationalen Kulturerbes (Museen) stellten eine veritable Kulturrevolution dar.

In deren Folge ist die spätere Entstehung von Orten der Wissensspeicherung und -vermittlung (Bibliotheken, Industrieschauen, Weltausstellungen), die Anlage neuartiger Freizeit- und Konsumräume (Parks, Tivolis, Passagen) und die zeitspezifische Infrastruktur-Architektur (Bahnhöfe, Metro) zu sehen, die – der Idee der freien Zugänglichkeit, Interaktion und Zirkulation gehorchend – für jene Raumrevolution stehen, die die Sektion explizit machen will. Der Zeitrahmen wird bis Le Corbusiers „Plan Voisin“ von 1925 gesteckt, dessen radikale urbanistische Abkehr vom 19. Jahrhundert den Gestus der Revolutionen seit 1789 fortsetzte.

Im Anschluss an jüngere Ansätze, die über die statischen Begriffe von Stadtbild und Repräsentation hinauszugehen versuchen, will die Sektion dazu einladen, Bild und Raum in ein kritisches Verhältnis zu setzen, um deren politisches und urbanes Potential im Sinne einer Renaissance der kunsthistorischen Stadt(bau-)forschung neu zu bestimmen und das Verhältnis von (statischem) Bild und (dynamischem) Raum, von Betrachtung und Benutzung, von Konstanz und Wandel des Urbanen neu zur Diskussion zu stellen.

 

 

Kurzbiografie Salvatore Pisani
1994 Promotion an der Universität des Saarlandes
2007 Habilitation an der Universität des Saarlandes
seit 2020Leitung des DFG-Projekts „Mobilier urbain. Objektkultur und öffentlicher Raum im Paris des 19. Jahrhunderts“
2021Apl. Professur an der Universität Mainz
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kulturgeschichte der Stadt; Architektur und Subjektgeschichte; Technik- und Infrastrukturästhetik
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Katharina Siebenmorgen) Neapel. Sechs Jahrhunderte Kulturgeschichte, Berlin 2009.
  • (Hg. mit Elisabeth Oy-Marra) Ein Haus wie Ich. Die gebaute Autobiographie in der Moderne, Bielefeld 2014.
  • Paris, Stadt der (gusseisernen) Dinge, in: Steffen Haug und Gregor Wedekind (Hgg.): Die Stadt und ihre Bildmedien. Das Paris des 19. Jahrhundert, Paderborn 2018, S. 133–150.
  • Architektenschmiede Paris. Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff, Berlin/Boston 2022.
  • Mobilier urbain. Infrastruktur-Ästhetik im Paris des 19. Jahrhunderts, in: Oliver Ruf und Lars C. Grabbe (Hgg.): Technik-Ästhetik. Zur Theorie techno-ästhetischer Realität (Medien- und Gestaltungsästhetik 12), Bielefeld 2022, S. 299–316.
Kurzbiografie Christine Tauber
1989–1990Elève étrangère an der Ecole normale supérieure, Paris (Maîtrise an der Sorbonne/Paris IV: „De arte moriendi. Art, pouvoir et spiritualité d’après les testaments et les monuments du cardinal Jean de la Grange et de sa famille“)
ab 1998Mitherausgeberin mehrerer Bände der Jacob-Burckhardt-Gesamtausgabe (JBW)
ab 1990Freie Mitarbeit bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
ab 1993Lehrtätigkeit in Bonn, Konstanz, Basel, Zürich und München
1993–2001Wiss. Mitarbeit und Wss. Assistenz am Historischen Seminar der Universität Bonn
1996Promotion an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn („Jacob Burckhardts ‚Cicerone‘. Eine Aufgabe zum Genießen“)
2005Habilitation an der Universität Konstanz („Manierismus und Herrschaftspraxis. Zur Kunst der Politik und zur Kunstpolitik am Hof von François Ier“)
seit 2010Verantwortliche Redakteurin der Kunstchronik am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München
seit 2015Apl. Professorin am Institut für Kunstgeschichte der LMU München
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Historistische (Kunst-)Geschichtsschreibung des 19. Jh.s; Kunstgeschichte und Patronage der italienischen und französischen Renaissance; Kunstpolitik und Kulturgeschichte des französischen Revolutionszeitalters; Kunstzerstörung und Museumsgründungen; Kunsttheorie (16.–21. Jh.)
Publikationsauswahl
  • (Hg. mit Ulrich Oevermann und Johannes Süßmann) Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst. Untersuchungen zu Mäzenatentum und Kulturpatronage (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 20), Berlin 2007.
  • Bilderstürme der Französischen Revolution. Die drei Vandalismus-Berichte des Abbé Grégoire (Quellen zur Kunst 30), Freiburg i. Br. 2009.
  • Manierismus und Herrschaftspraxis. Die Kunst der Politik und die Kunstpolitik am Hof von François Ier (Studien aus dem Warburg-Haus 10), Berlin 2009.
  • Armand-Guy Kersaint, Abhandlung über die öffentlichen Baudenkmäler. Paris 1791/92 (Texte zur Wissensgeschichte der Kunst 3), Heidelberg 2010.
  • (Hg. mit Dietrich Erben) Politikstile und die Sichtbarkeit des Politischen in der Frühen Neuzeit, Passau 2016; darin: Stilpolitik im Palazzo del Te in Mantua, S. 93–127.