Museen haben in Formfragen einen erzieherischen Auftrag und sollten diesen deutlich formulieren, sowie ihre Sammlungen und Ausstellungen entsprechend ausrichten: Darin waren sich viele kunsthistorische Fachleute und Museumsschaffende im Europa des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert einig. Zwar ging nicht jeder so weit wie der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums Gustav E. Pazaurek (1865–1935), der mit seiner 1909 angelegten „Sammlung der Geschmacksverirrungen“ entschied, „den schlechten Geschmack auf allen Gebieten zu bekämpfen“, dennoch waren Themen um Geschmacksbildung und ästhetische Erziehung in Museen des 19. und 20. Jahrhunderts immer wieder Diskursgegenstand.
Die Sektion zur Rolle der Museen bei der gesellschaftlichen „Geschmacksbildung“ beschäftigt sich explizit mit einer musealen Perspektive und thematisiert generelle Überlegungen zum Museum als Ort der Erziehung des Publikums, aber auch Beispiele konkreter Institutionen und historischer Kontexte.
Die Beiträge geben zunächst einen Überblick zu Fragen nach erzieherischen Aspekten in musealen Leitbildern. Dabei stehen sowohl Museen als Orte mit gesellschaftlicher Mission als auch Beispiele einer eher ästhetisch motivierten „Geschmacksbildung“ im Vordergrund. Diese fand auch und gerade in der Kunstgewerbebewegung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang mit Diskussion um gute Formgestaltung statt und schlug sich in der Anlage von umfassenden Vorbilder- und Mustersammlungen nieder.
Des Weiteren nehmen die Beiträge Fragen nach musealer „Gesellschaftserziehung“ in der deutschen Nachkriegszeit in den Blick. Beispiele konkreter Sammlungs- und Ausstellungspolitik einzelner Museen zeigen exemplarisch auf, wie Museen sich als offene Diskurs- und Verhandlungsorte verstehen und erzieherisch wirkende Räume gesellschaftskultureller Statements entwerfen.