Samstag, 26. März 2022, 9:00–13:00 Uhr, HP, Hörsaal 2.01

Formanalyse und Formfindung in Zeiten computergenerierter Architektur

Leitung: Klaus Jan Philipp, Stuttgart / Christian Vöhringer, Stuttgart

Aktuelle Tendenzen in der Architektur erinnern zwar an „organische“ Konstruktionen wie solche von Frei Otto, konzipiert werden sie jedoch mit ganz anderen Mitteln. Der heutige Einsatz des Computers kann Form, Material und Produktion generieren. Dadurch ändern sich womöglich die Grundlagen einer architekturhistorischen Analyse der Objekte.

Dominik Lengyel und Catherine Toulouse sprechen über „Die formale Sprache computergenerierter Architektur“, deren Spielräume zwischen Funktion und Beliebigkeit, aber auch digitaler oder analog-sinnbildlicher Banalität liegen. Automatismen im Entwurfsprozess sind ein Risiko, sie basieren auf einer bis Durand zurückreichenden Ordnung, die als Operationen etabliert wurden. Victoria H. F. Scott, „From Modernism to Parametricism“, wendet sich den Neudefinitionen von Form als autonomer Produktion zu. Sie folgt dabei Michael Fried (1967), dessen Darstellung der Moderne auf der Verschiebung von tradierten Gattungsgrenzen basiert. Solche Aufhebung gültiger Annahmen sei evident im Parametrizismus, der unseren Begriff von Architektur ablöse. Ole Fischer geht in „Form. Finden. Fragen?“ von Lynns Text „Animate Form“ (1999) aus, um Parallelen, Unterschiede und Kontinuitäten von analog-abbildender und parametrisch-generativer Architektur zu diskutieren. Die digital specificity zwischen Geschichte, Evolutionsbiologie und Theorie ist weniger Bruch als Fortsetzung, die sich um Aspekte wie digitale Materialität erweitern lässt. Mirko Becker entwickelt in „Von einer Ästhetik der Kybernetik zum maschinellen Sehen“ den Gedanken, dass Architekturwahrnehmung als Integral visueller Komplexität denkbar wird. Die Space Syntax von Bill Hillie baute in den 1970er Jahren auf der Analyse sich im Raum wandelnder Gesichtsfelder auf. Als Bildanalyseverfahren kann es in Echtzeit die Komplexität eines Raumes bestimmen. Das Integral solcher Sequenzen ist eine räumliche Wahrnehmung über bislang klassifizierte Elemente und Muster hinaus. Revolutionieren die Technologien die Wahrnehmung räumlicher Komplexität?

Kurzbiografie Klaus Jan Philipp
1979–1985Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte in Marburg und Berlin
1985Promotion an der Universität Marburg („Pfarrkirchen – Funktion, Motivation, Architektur“)
1996 Habilitation an der Universität Stuttgart („Um 1800. Architekturtheorie und Architekturkritik in Deutschland zwischen 1790 und 1810“)
seit 2008 Leiter des Instituts für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Geschichte und Theorie der Architektur
Publikationsauswahl
  • Pfarrkirchen: Funktion, Motivation, Architektur. Eine Studie am Beispiel der Pfarrkirchen der schwäbischen Reichsstädte im Spätmittelalter (Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte 4), Marburg 1987.
  • Um 1800. Architekturkritik und Architekturtheorie in Deutschland zwischen 1790 und 1810, Stuttgart/London 1997.
  • Das Reclam-Buch der Architektur, Ditzingen 2006 (4. Aufl. 2021).
  • Architektur – gezeichnet. Vom Mittelalter bis heute, Basel 2020.
Kurzbiografie Christian Vöhringer
1987–1995Studium der Kunstgeschichte, Neueren Deutschen Literatur und Religionswissenschaft in Berlin (Gastsemester in Freiburg und Rom)
1995–1998Promotion an der FU Berlin („Pieter Bruegels d. Ä Landschaft mit pflügendem Bauern und Ikarussturz. Mythenkritik und Kalendermotivik“)
2010–2019Architekturhistorische Forschung u. a. über Universitäts- und Verwaltungsbauten der Nachkriegszeit in Baden-Württemberg; Erschließung des Nachlasses von Jürgen Joedicke (1925–2015) am Universitätsarchiv Stuttgart
seit 2019Architekturhistoriker (PostDoc) im Exzellenzcluster 2120 „Integrative Computational Design for Architecture and Construction“ am Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Niederländische Malerei des Spätmittelalters; südwestdeutsche Nachkriegsarchitektur, Kunst, Architektur und Archiv, Bausysteme; Quellenforschung und Methodologie, Digital Humanities
Publikationsauswahl
  • Pieter Bruegels d. Ä. Landschaft mit pflügendem Bauern und Ikarussturz. Mythenkritik und Kalendermotivik im 16. Jahrhundert, München 2002.
  • (Hg. mit Hubert Locher) Quellen zur Theorie und Geschichte der Kunstgeschichte, Bd. 2, Kunstliteratur der Neuzeit: eine kommentierte Anthologie, Darmstadt 2010.
  • (mit Klaus Jan Philipp) Verwaltungsbauten und Rathäuser der 1960er und 1970er Jahre, in: Beton, Glas und Büffelleder. Verwalten in Denkmalen der 1960er und 1970er Jahre im Regierungsbezirk Stuttgart, Darmstadt 2015, S. 11–28.
  • (Bearb. mit Carolin Eiden) Jürgen Joedicke 1925 bis 2015: Notes from the Archive, Ludwigsburg 2020.