Mit neuen digitalen Möglichkeiten der Erzeugung von virtuellen Realitäten, der Visualisierung und Rekonstruktion historischer Architektur und Bauzuständen in Heritage/Historic Building Information Models oder der hybriden Durchdringung von physischem Raum und historischen Bildern mittels Augmented Reality ergeben sich andere Fragestellungen als sie bisher angesichts physischer Rekonstruktionen diskutiert werden. In den digitalen Raum lässt sich in einer vorher nicht dagewesenen und verführerischen Weise eintauchen. Die gewachsene materielle Substanz wird im virtuellen Raum nicht angefasst. Verschiedene, sich auch gegenseitig ausschließende Schichten der Geschichte, historische Prozesse und Brüche können virtuell übereinandergelegt, ein- und ausgeschaltet werden. Solche Darstellungsweisen sind in Museen oder im Rahmen von historischen Stadtführungen und Stadterkundungen oft Mittel der Vermittlung und Popularisierung historischen Wissens. Hier können sie maßgeblich zur Stärkung eines Denkmalverständnisses beitragen. Sie sind auch Mittel der bauarchäologischen, bauhistorischen und denkmalpflegerischen Auseinandersetzung.
Diese Methoden greifen oft gut bekannte historische Bildquellen auf, wählen aus und ordnen die Bilder der Geschichte neu – und legen dabei ihre Motive und Vorgehensweisen nicht immer reflexiv offen. Sie erweitern die Bilder auch mit für die Betrachtenden nicht immer klar erkennbaren Interpretationen, sie füllen Lücken der Überlieferung, damit das augmentierte Bild in einem bestimmten Sinne passt und stimmig ist. Kennzeichnend ist oft die Konzentration auf die Darstellung einer homogenen, jedenfalls abgeschlossenen Epoche. Wie steht es um die Gefahr der Reduktion auf bildhafte Projektionen eines vorgegebenen historischen Verständnisses einer Situation – und wie gelingt es, für die denkmaltheoretische wie denkmalpraktische Diskussion einen kritischen Blick auf affektive und affirmative Geschichtsbilder und deren ubiquitäre Verbreitung zu bewahren?