In den bildtheoretischen Debatten hat sich jüngst verstärkt ein raumbezogenes Bildverständnis etabliert und die rezeptionsästhetischen Ansätze produktiv erweitern können: Der emersive Charakter von Bildern wurde herausgestellt und Bildbetrachtung als sich in einem ästhetischen Dazwischen realisierende Erfahrung von konstitutiv räumlichem Charakter beschrieben. Das Paradigma des Raumes erlebt aktuell jedoch nicht nur in der Bildtheorie eine bemerkenswerte Konjunktur, sondern es erweist sich auch als eine entscheidende Denkfigur in der transkulturellen bzw. post-/dekolonialen Kulturtheorie: Räume werden hier als relational strukturierte Gefüge angesehen, die nicht statisch sind, sondern durch Bewegungen und Transformationen generiert werden. Sie gehen also aus Handlungen, aus der agency von Akteurinnen/Akteuren und Objekten, hervor und sind durch und durch performativ verfasst.
Die Sektion verfolgt die Idee, diese beiden bisher getrennt geführten Diskurse in kunstgeschichtlichen Analysen produktiv aufeinander zu beziehen; methodische Reflexionen sollen hierbei mit konkreten Fallstudien verknüpft werden: Wie kann in (Bild-)Räumen kulturelle Differenz performativ zur Aufführung gelangen und wie können dadurch – sogar in hegemonialen Kontexten – Alteritätsmarkierungen verschoben und neu verhandelt werden?
Konkret wird also auf die Frage abgezielt, wie gerade die räumlichen Dimensionen von Bildern und Architekturen als Strukturen transkultureller Aushandlungen genutzt werden: Wie kann beispielsweise die Topologie einer Bildfläche für die Inszenierung und Verschiebung kultureller Differenzen dienstbar gemacht werden und so als transkultureller Aushandlungsraum fungieren? Wie können dadurch kulturelle Zuschreibungen infrage gestellt und Essentialisierungen destabilisiert werden? Welche Einsichten können uns Fotografien vermitteln, die konkurrierende kulturelle Repräsentationsansprüche derselben Topografie manifest machen und dabei sowohl hegemoniale Machtansprüche dokumentieren als auch subalterne Sichtweisen zur Geltung bringen? Was bedeutet es, wenn gerade architektonische Schwellenräume mit Markern kultureller Alterität versehen werden, und schließlich: Wie können gebaute Räume zu liminalen Orten mit Blick auf kulturelle Einschreibungen werden?