Bilder und Architekturen als transkulturelle Aushand­lungs­­räume

Leitung: Julia Kloss-Weber, Hamburg / Valérie Kobi, Neuchâtel

In den bildtheoretischen Debatten hat sich jüngst verstärkt ein raumbezogenes Bildverständnis etabliert und die rezeptionsästhetischen Ansätze produktiv erweitern können: Der emersive Charakter von Bildern wurde herausgestellt und Bildbetrachtung als sich in einem ästhetischen Dazwischen realisierende Erfahrung von konstitutiv räumlichem Charakter beschrieben. Das Paradigma des Raumes erlebt aktuell jedoch nicht nur in der Bildtheorie eine bemerkenswerte Konjunktur, sondern es erweist sich auch als eine entscheidende Denkfigur in der transkulturellen bzw. post-/dekolonialen Kulturtheorie: Räume werden hier als relational strukturierte Gefüge angesehen, die nicht statisch sind, sondern durch Bewegungen und Transformationen generiert werden. Sie gehen also aus Handlungen, aus der agency von Akteurinnen/Akteuren und Objekten, hervor und sind durch und durch performativ verfasst.

Die Sektion verfolgt die Idee, diese beiden bisher getrennt geführten Diskurse in kunstgeschichtlichen Analysen produktiv aufeinander zu beziehen; methodische Reflexionen sollen hierbei mit konkreten Fallstudien verknüpft werden: Wie kann in (Bild-)Räumen kulturelle Differenz performativ zur Aufführung gelangen und wie können dadurch – sogar in hegemonialen Kontexten – Alteritätsmarkierungen verschoben und neu verhandelt werden?

Konkret wird also auf die Frage abgezielt, wie gerade die räumlichen Dimensionen von Bildern und Architekturen als Strukturen transkultureller Aushandlungen genutzt werden: Wie kann beispielsweise die Topologie einer Bildfläche für die Inszenierung und Verschiebung kultureller Differenzen dienstbar gemacht werden und so als transkultureller Aushandlungsraum fungieren? Wie können dadurch kulturelle Zuschreibungen infrage gestellt und Essentialisierungen destabilisiert werden? Welche Einsichten können uns Fotografien vermitteln, die konkurrierende kulturelle Repräsentationsansprüche derselben Topografie manifest machen und dabei sowohl hegemoniale Machtansprüche dokumentieren als auch subalterne Sichtweisen zur Geltung bringen? Was bedeutet es, wenn gerade architektonische Schwellenräume mit Markern kultureller Alterität versehen werden, und schließlich: Wie können gebaute Räume zu liminalen Orten mit Blick auf kulturelle Einschreibungen werden?

 

 

Kurzbiografie Julia Kloss-Weber
1998–2005Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Neueren Deutschen Literatur (Magisterarbeit: „Die Chapelle de la Vierge in St-Eustache, Paris – Thomas Coutures Wandmalereien im Rahmen der Dekoration aus der Mitte des 19. Jahrhunderts“)
2010Promotion an der Freien Universität Berlin („Individualisiertes Ideal und nobilitierte Alltäglichkeit. Das Genre in der französischen Skulptur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“)
2022Habilitation an der Universität Hamburg („Bilder der Alterität – Alterität der Bilder. Zum transkulturellen Potenzial von Bildern in Übersetzungsprozessen zwischen Neuspanien und Europa im 16. Jahrhundert“)
2022Privatdozentin (Venia Legendi) und Vertretungsprofessur am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Französische Kunst des 17.–19. Jh.s; Skulpturgeschichte und Skulpturtheorie; mexikanische Kunst des 16. Jh.s; transkulturelle, post-/dekoloniale Kunstgeschichten; spanische Kunst des 17. Jh.s
Publikationsauswahl
  • Skulpturale Lebendigkeit im Zeitalter der Aufklärung. Genrefiguren als Experimentierfeld bei Jean-Baptiste Pigalle, in: Britta Hochkirchen und Dominik Brabant (Hgg.): Temporalität, Ambiguität, Latenz. Ästhetische Eigenlogiken des europäischen Genrebildes, Bielefeld 2013, S. 223–248.
  • Individualisiertes Ideal und nobilitierte Alltäglichkeit. Das Genre in der französischen Skulptur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Berlin 2014 (zugl. Diss. Berlin 2010).
  • Die Villa Kameke. Formwerdung in Architektur und Skulptur, in: Hans-Ulrich Kessler (Hg.): Andreas Schlüter und das barocke Berlin, Ausst.-Kat. Berlin, München 2014, S. 416–435.
  • (Hg. mit Marie Rodewald und Sina Sauer) Stabilitäten // Instabilitäten. Körper – Bewegung – Wissen, Berlin 2022; darin: Ponderation – bildhauerische Reflexionen von (In)Stabilität: Barnett Newmans Broken Obelisk und Michael Witlatschils Werkserie Stand, S. 27–50.
  • Bilder der Alterität – Alterität der Bilder. Zum transkulturellen Potenzial von Bildern in Übersetzungsprozessen zwischen Neuspanien und Europa im 16. Jahrhundert, Berlin/Boston (in Vorbereitung für 2024) (zugl. Habil. Hamburg 2022).
Kurzbiografie Valérie Kobi
2014Promotion an der Universität Neuchâtel („Dans l’oeil du connaisseur. Pierre-Jean Mariette (1694–1774) et la construction des savoirs en histoire de l’art au XVIIIe siècle“), ausgezeichnet mit dem Prix Nexans 2014
2014–2015Postdoktorandin der Swiss National Foundation, LMU München
2015–2018Wiss. Assistentin an der Universität Bielefeld („Parergonale Rahmungen. Zur Ästhetik wissenschaftlicher Dinge bei Goethe“, BMBF-Projekt „Parerga und Paratexte“)
2019–2022Vertretungsprofessur für Frühmoderne Europäische Kunstgeschichte an der Universität Hamburg
seit 2022Assistenzprofessur für Kunstgeschichte der Europäischen Frühen Neuzeit und Museologie an der Universität Neuchâtel
seit 2022Projektverantwortliche, SNF-PRIMA-Projekt „Bibliothèques et musées en Suisse entre 18e et 19e siècles“ (2022–2027)
Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte Kunst und Theorie des 18. Jh.s; Sammlungs- und Museumsgeschichte; Kennerschaft; Objekte und Materialität; Kunst und Wissenschaft
Publikationsauswahl
  • Dans l’œil du connaisseur. Pierre-Jean Mariette (1694–1774) et la construction des savoirs en histoire de l’art, Rennes 2017.
  • (Hg. mit Johannes Grave, Christiane Holm und Caroline van Eck) Collections, Displays & the Agency of Objects, Dresden 2018.
  • Harmonie et dissonance. La fonction de la couleur dans les collections du siècle des Lumières, in: Dix-huitième siècle 51 (2019), S. 63–75.
  • (Hg. mit Chonja Lee und Kristel Smentek) Networks and Practices of Connoisseurship in the Global Eighteenth Century, Berlin 2023.